Der Schatz in der Drachenhöhle
Wasser.
„Ich glaube“, sagte Tarzan, „unser
zahmer Mi-Am-Ga-Ni macht jetzt auf wild.“
„Vielleicht haben die Höllenengel was
reingeschüttet“, mutmaßte Klößchen. „Einen Wasserbeschleuniger oder so. Ob’s
gefährlich wird?“
„Du sagst es!“ Tarzan deutete zum Ufer.
Dort, etwa 100 Meter voraus, war ein Verkehrszeichen
angebracht: eine Flußmarkierung.
„Weißes, rundes Feld, rot umrandet!“
rief Tarzan. „Das bedeutet: Allgemeines Fahrverbot. Wir müssen an Land.“
„Was?“ staunte Klößchen. „Ich wußte gar
nicht, daß es für Wasserwege Verkehrsschilder gibt.“
„Etliche sogar. Meistens Warnschilder.
Sie weisen auf Pfähle, Wehre, Drahtseile oder Kraftwerke hin. Ich dachte, das
wäre dir bekannt.“
„Er kennt nur das Hinweisschild für
Schokolade“, lachte Gaby. „Hilfe, wir werden immer schneller.“
Das Wasser gurgelte. Der Fluß, jetzt in
ein engeres Bett gepreßt, schwoll an. In der Ferne ragten dichtstehende Felsen
auf. Der Fluß wurde hindurch gefädelt wie durch ein Nadelöhr.
Die Freunde lenkten ihr Kanu an Land.
Das rechte Ufer zeigte sich als unübersichtliche Wildnis. Die Straße hatte sich
schon vorher vom Fluß abgewandt. Nur auf der linken Seite führte sie immer noch
am Ufer entlang.
Auch die Rocker hielten an und
beobachteten.
„Jedenfalls können sie nicht herüber“,
stellte Karl zufrieden fest. „Hier gibt es weit und breit keine Brücke.“
Mit vereinten Kräften hatten sie das
Kanu aufs Ufer gezogen.
„Wir müssen umtragen — wie der Kanute
sagt.“ Tarzan deutete auf die tobenden Wassermassen zwischen den Felsen. „Dahinter
ist unser Strom bestimmt wieder friedlich.“
„Umtragen?“ forschte Klößchen entsetzt.
„Du meinst doch nicht etwa, wir sollen das Kanu schleppen? Samt Inhalt!“
„Hast du einen anderen Vorschlag?“
„Mann!“ stöhnte Klößchen. „Ich trage
schwer genug an mir selbst.“
„Was dich nicht umbringt, macht dich
stärker“, tröstete Tarzan. „Die Ausrüstung ist gleichmäßig verteilt. Ich trage
vorn. Ihr beide faßt hinten an. Gaby ist wegen zu zarter Gliedmaßen von
Knochenarbeit befreit. Sie führt Oskar.“
Er streifte sein T-Shirt ab und nahm
den Brustbeutel vom Hals. Beides wurde ins Boot gelegt — und zwar auf die
Vorratskiste. Karl legte sein Hemd und seinen Brustbeutel dazu.
Klößchen jammerte. „So eine Plackerei!
Und das soll eine Vergnügungsfahrt sein. Zigeuner mit Messern. Rocker mit
Stahlschleudern. Tobsüchtige Dorfbewohner. Und jetzt diese...“ Er hielt inne.
Auch die andern hatten das Knacken in
den Büschen vernommen. Äste brachen. Ein gemurmelter Fluch. „Pst!“ machte eine
andere Stimme. Dann war wieder Stille hinter dichtem Sommergrün.
Tarzan sah zu den Rockern hinüber. Aber
die waren vollzählig. Von denen konnte es keiner sein.
„Ich seh nach!“ Er sprang zu den
Büschen, zwängte sich in eine Schneise, war auf alles gefaßt und stand — nachdem
die Zweige zurückgeschnellt waren — vor einer kleinen Lichtung.
Zwei Gestalten kauerten dort: zerlumpt,
bärtig, in schmutzstarrenden Klamotten. Sie stanken meterweit gegen den Wind
und wurden von Schmeißfliegen belagert. Es waren Penner: ein jüngerer mit
rötlichem Haar- und Bartwuchs und ein Graukopf. Sein zahnloses Grinsen hätte
selbst Klößchen den Appetit verdorben.
Beide knieten dicht bei den Büschen. Es
war offensichtlich: Sie hatten die Kinder belauscht.
Tarzan starrte sie an, bis auch der
Jüngere mit verlegenem Grinsen die Achseln hob.
„An eurer Stelle würde ich mal baden“,
sagte Tarzan. „Sonst bleiben die Fliegen an euch kleben.“
Er ging zu seinen Freunden zurück.
„Nur zwei Landstreicher. Keine
bekannten Gesichter.“
Inzwischen hatte sich auch Klößchen
seines Hemdes entledigt. Er kaute mit vollen Backen und schob eben noch ein
großes Stück Schokolade in den Mund.
„Ich muß mich stärken“, entgegnete er
auf Tarzans vorwurfsvollen Blick. „Damit ich nicht in die Knie sacke.“
„Heeeeebt an!“ Tarzan stemmte sich den
Bug auf die Schulter.
Am Heck taten Karl und Klößchen ihr
Bestes.
Gaby war schon ein paar Schritte
voraus. Oskar lief an der Leine und schien tausend Fährten aufzunehmen. Er
schnüffelte mal rechts und mal links. Sein Stummelschwanz quirlte begeistert.
Es wurde zur Schinderei, das
vollbepackte Kanu zu tragen. Fast einen Kilometer weit zog sich ein Trampelpfad
am Ufer entlang. Bei der Flußenge mit den Felsen ging es bergan. Klößchen
vergoß literweise
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