Der Schatz von Blackhope Hall
seinem Weinglas.
Wieder zu Olivia gewandt, gurrte Pamela: "Wie schön, dass Sie uns besuchen, meine Liebe! Wir haben schon so viel von Ihrer Familie gehört." In ihrer Stimme schwang kaum verhohlene Belustigung mit, die bekundete, was sie über die Morelands gehört hatte.
"Tatsächlich?" fragte Olivia sanft.
"Oh ja." Nun erschien ein kalter Glanz in Pamelas blauen Augen. "Die Duchess ist allgemein bekannt."
"Wegen ihrer wohltätigen Aktivitäten", betonte Olivia und erwiderte den stechenden Blick ebenso kühl.
"Sie ist sehr … fortschrittlich, nicht wahr?"
"Allerdings."
"Pamela …", mahnte Lady St. Leger und musterte Olivia besorgt.
"Was meinst du, Pamela?" fragte Belinda neugierig.
Lady Eleanor schluckte krampfhaft, und Pamelas Lächeln glich geschliffenem Glas.
"Nun", erklärte Olivia leichthin, "Lady Pamela meint die Bemühungen meiner Mutter um die Ausbildung armer Kinder, um eine bessere Behandlung der Fabrikarbeiter und um das Wahlrecht der Frauen."
"Wirklich?" Belinda riss die Augen auf. "Ist es nicht erstrebenswert, dass arme Kinder etwas lernen und die Arbeiter gut behandelt werden?"
"Doch, natürlich", entgegnete Olivia. "Meine Mutter ist von grenzenloser Nächstenliebe erfüllt – ein Wesenszug, der den meisten Damen der Oberschicht fehlt." Viel sagend schaute sie Pamela an.
Stephen schüttelte lachend den Kopf. "Wenn du dich auf ein geistreiches Wortgefecht mit Lady Olivia einlässt, wirst du den Kürzeren ziehen, Pamela."
Um ihren Zorn zu verbergen, senkte seine Schwägerin die Wimpern. "Traust du mir irgendwelche Bosheiten zu, Stephen? Das kränkt mich." Als sie aufblickte, glänzten Tränen in ihren kornblumenblauen Augen. "Ich war nur an Lady Olivias Familie interessiert."
"Gewiss", stimmte Olivia zu. "Ich bin sehr stolz auf meine Mutter. Deshalb rede ich sehr gern über sie." Dann entstand eine Gesprächspause, und sie bemerkte Lady St. Legers Unbehagen. Da sie ihr bedeuten wollte, dass Pamelas Anspielungen sie nicht beleidigten, wechselte sie das Thema. "Ich finde Ihr Haus wunderschön, Lady Eleanor."
Sofort hellte sich die Miene der älteren Dame auf. "Danke, meine Liebe. Es ist sehr alt. Einige Räume habe ich neu gestaltet, weil sie so kalt waren – nicht nur buchstäblich, das lag auch an der Atmosphäre."
"Das erlebt man oft in alten Steinhäusern", antwortete Olivia.
"Ein Unglückshaus …" Plötzlich ergriff Madame Valenskaya das Wort und zog alle Blicke auf sich. "Voller verlorener Seelen. Das weiß ich, denn ich höre ihre Klagen."
An diesem Abend sprach sie zum ersten Mal, nachdem sie sich bisher eifrig auf ihre Mahlzeit konzentriert hatte. Aber nun guckte sie in die Runde. Um ihrer Erklärung Nachdruck zu verleihen, nickte sie heftig.
Aufmerksam beobachtete Olivia die anderen. Stephen verzog keine Miene. Den gleichen Fehler wie am vergangenen Abend würde er nicht noch einmal begehen. Pamela wirkte zynisch und leicht belustigt. Atemlos beugte sich Belinda vor und schien die dramatische Situation zu genießen. Die Hände sorgenvoll an die Brust gepresst, starrte Lady St. Leger das Medium an.
"Also, mir kommt das Haus nicht unheimlich vor", verkündete Olivia und lächelte unschuldig. "Ich finde es sogar gemütlich."
"Oh, Madame weiß Bescheid, da sie sehr eng mit der Geisterwelt verbunden ist", behauptete Mr. Babington ernsthaft und legte seine Gabel beiseite. "Wann immer wir ein Gebäude betreten, kann sie erkennen, ob verlorene Seelen darin wohnen. Manchmal hat sie es nicht einmal ertragen, gewisse Schwellen zu überqueren."
"Ja", stimmte die Russin zu, "das war grauenhaft. Hier ist es nicht so schlimm. Aber ich höre die Klagen unglücklicher Seelen." Theatralisch erschauerte sie. "Sogar der Name des Hauses klingt unheilvoll – Blackhope Hall …"
"So wurde das Haus vor langer Zeit genannt", warf Pamela ein. "Damals dachte man sich sicher dabei nichts Böses."
"Ich weiß, wieso unser Landsitz so heißt!" Belindas Augen leuchteten auf. "Letztes Jahr beauftragte mich mein Hauslehrer, die Geschichte unseres Landguts zu erforschen. Bevor es die St. Legers erwarben, gehörte es einem Aristokraten, der sich darin einschloss und um seine tote Frau trauerte. Sein Leben war düster und hoffnungslos. Und so kam das Haus zu diesem Namen. Das las ich in einem Buch."
"Da sehen Sie es!" rief Madame Valenskaya triumphierend. "Noch eine verlorene Seele. Und es gibt sehr viele unter diesem Dach!" Vor lauter Aufregung sprach sie klar und deutlich, ohne den russischen
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