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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.E. Hotchner
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von Giorgios Buchmacher.
    »Ich möchte diese Geschichte hören, Ted. Die ganze Geschichte.
Von dir. Ohne etwas auszulassen und ohne etwas hinzuzufügen.« Er
blickte verwirrt zu mir auf und wollte etwas sagen, aber ich schnitt
ihm das Wort ab. »Und spiel nicht den Ahnungslosen. Das kannst du dir
schenken. Sei ehrlich mit mir, Ted. Ich will es hören, und zwar von A
bis Z.« Wieder betrachtete er die beiden Schriftstücke, wollte sie mir
zurückgeben, legte sie dann aber statt dessen vor mir auf den Tisch. Er
sah dabei nicht mich an, sondern Julietta – als könne sie ihn
vor mir retten. Er atmete tief ein, atmete wieder aus, und dann begann
er mit fest ineinander verkrampften Händen zu reden:
    »Um alles, was geschehen ist, zu begreifen, und um zu
verstehen, warum es geschehen ist, muß ich dir zunächst von Luigi
Hoffmann erzählen.
    Luigi Hoffmann: Luigi – italienische Mutter,
Hoffmann – deutscher Vater. Er war in München geboren, wuchs
aber in Genf auf, wo er sich zu einem gerissenen Finanzier und
Bankmann, zu einem Genie im Investmentbusiness entwickelte. Als
Mussolini 1936 vom Balkon des Palazzo Venezia seine berühmte Ansprache
hielt und sich des Sieges in Abessinien rühmte, war Hoffmann
zweiunddreißig Jahre alt. Er war damals in Rom und gehörte zu jenen
vierhunderttausend Menschen, die sich auf der Piazza drängten, ließ
sich von der wilden, begeisterten Heldenverehrung, dem unablässigen,
hypnotischen ›Duce! Duce! Duce!‹ mitreißen. Die Massenhysterie, die
sich der Menge bemächtigt hatte, bemächtigte sich auch seiner.
    Hoffmann war immer schon Mystiker gewesen, ein intellektueller
Mystiker, Katholik und Theosoph, der irgendwie eine Möglichkeit fand,
die beiden Glaubensrichtungen zu einer leidenschaftlichen Religiosität
zu schmelzen. Und daraus erwuchs – keineswegs
oktroyiert – seine heiße Verehrung für Mussolini. Die
teilweise zweifellos dem Umstand zuzuschreiben ist, daß er homosexuell
war – wie sich eben Homosexuelle, sowohl offene wie auch
heimliche, mit Matadoren identifizieren. Zur Zeit von Dominguín
Ordóñez, als ich zu allen Stierkämpfen lief, lernte ich die beiden
Schwäger kennen und ging bisweilen vor oder nach einem Kampf zu ihnen
ins Zimmer. Damals wunderte ich mich jedesmal über die große Anzahl der
Männer von Rang und Namen, die dort herumsaßen, während sich die
Matadore anzogen oder auszogen, sie in den Hotelhallen umdrängten,
ihnen kostbare Geschenke sandten und sie entweder offen oder heimlich
verehrten. Nun, das war zweifellos auch ein Aspekt von Hoffmanns
Mussolini-Besessenheit. Mussolinis gockelhafte, schwarzhemdbekleidete
Supermann-Überheblichkeit mußte ja die Bewunderung eines Homosexuellen
erregen. In Hoffmanns Fall war es eine rein platonische Zuneigung und
Verehrung. In welcher Form die Osmose auch ablief – sie war
für ihn Kompensation genug.
    Durch seine Bankverbindungen lernte Hoffmann den Duce dann
persönlich kennen und hatte in mancherlei Hinsicht leichteren Zugang zu
ihm und größeren Einfluß auf ihn als Mussolinis eigene Minister. Es war
auch Hoffmann, der Mussolini die Idee einer Entente mit Hitler in den
Kopf setzte. Er fesselte des Duces zum Bombastischen neigende Phantasie
mit dem Wort ›Achse‹. Es kostete ihn große Mühe, denn Mussolini mochte
Hitler nicht, mißtraute ihm und sprach von ›Mein Kampf‹ nur als von
›diesem langweiligen Buch, das ich nicht lesen kann‹.
    Hoffmann wurde ständiges Mitglied von Mussolinis
Exofficio-Hofstaat, war aber vernünftig genug, sich offiziell möglichst
im Hintergrund zu halten, um sich nicht die Feindschaft der Minister
und anderer Funktionäre zuzuziehen.
    Als aber 1943 Mussolinis Regime zusammenbrach und der Duce
verhaftet und auf der Insel Maddalena gefangengesetzt wurde, da war es
wiederum Hoffmann, der nach München fuhr, sich unermüdlich für
Mussolini einsetzte und aufgrund seiner Verbindungen Hitler zu bewegen
suchte, den Achsen-Partner zu befreien. Schließlich hatte Hoffmann
Erfolg, und als Mussolini im Rang eines Präsidenten der neu gegründeten
Republik Saló erneut die Macht erlangte, wurden dadurch Hoffmanns
Einfluß und seine Position beim Duce sogar noch viel stärker
fundamentiert.
    Aber die Republik Saló existierte nicht lange. Die Alliierten
rückten auf Mailand vor, General Wolff, der Befehlshaber der deutschen
Streitkräfte in Italien, kapitulierte, und Mussolini wurde von Panik
erfaßt. Er wollte fliehen. Es gab nur ein einziges logisches

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