Der Schatz von Dongo
Neri ›verschwand‹. Seine Geliebte Gianna, die
die Schatzliste aufgestellt hatte, erhielt eine anonyme Warnung, nicht
nach ihrem verschwundenen Geliebten zu suchen. Sie tat es doch, und
ihre Leiche wurde später bei Como ans Seeufer gespült. Giannas
Freundin, die nach Giannas Verbleib forschte, wurde von der
Hoffmann-Bande totgeschlagen und ebenfalls in den Comer See geworfen.
Giannas Bruder Cesare suchte auch nach der Schwester, hatte aber mehr
Glück dabei als Anna: Eine Maschinengewehrsalve aus dem Hinterhalt
verfehlte ihn, und er kam mit dem Leben davon, gab aber voll Angst die
Suche nach Gianna auf. Als der loyale Partisan Lino gewisse Tatsachen
über Mussolinis Hinrichtung und die Schatzliste ausplauderte, fand man
ihn einige Tage später unter – wie die Polizei es
beschrieb – geheimnisvollen Umständen tot auf. Sein Freund
Sandrino verschwand, ebenso die Loyalisten Pedro und Moretti, die am
Transport eines Teiles des Schatzes beteiligt gewesen waren.
Mit diesen Morden und dem geheimnisvollen Verschwinden
mehrerer Personen erreichte Hoffmann genau das, was er wollte: das
angstvolle Stillschweigen der Einwohner von Dongo und Zonico und vieler
antikommunistischer Partisanen, denen die Lust an Heldentaten vergangen
war.
Der Schatz wurde methodisch von den verschiedenen Stellen, auf
die er verteilt worden war, wieder zusammengeholt und die Juwelen, sehr
geschickt in den Kadavern von schwarz geschlachteten Rindern versteckt,
nach Dongo zurücktransportiert. Der Schlachter Guisti erhielt sämtliche
Kadaver, lud diejenigen, die für Santo Zacharia bestimmt und
entsprechend gekennzeichnet waren, auf seinen Wagen und fuhr sie zum
Kloster am Berg hinauf. Er ließ sich deswegen auf die Geheimnistuerei
ein, weil er glaubte, die Mönche fürchteten, man könne entdecken, daß
sie Schwarzmarktfleisch verwendeten. Daß die Kadaver Teile des Schatzes
enthielten, davon hatte er nicht die geringste Ahnung. Von Hoffmanns
Standpunkt aus war dieses Kadavermanöver notwendig, weil die
antikommunistischen Partisanen scharf nach Hoffmann und jedem Anzeichen
des großen verschwundenen Schatzes Ausschau hielten.
Die einzelnen Blätter der Liste wurden schließlich von
Hoffmann und den Kommunistenführern je nach der vorgesehenen Verteilung
gekennzeichnet: C ging an die Kommunisten, das Kreuz markierte alles,
was für Santo Zacharia bestimmt war (Piccionastros Lohn für Beistand
und Hilfe) und S, für stranieri , die Fremden, bezeichnete den Anteil Hoffmanns und seiner Gruppe.
Hoffmann war überzeugt, jetzt freie Bahn zu haben, doch da erschien
plötzlich unser alliiertes Untersuchungsteam auf dem Plan und brachte
eine ganz neue Bedrohung für ihn.
Deine Entdeckung des geschickt angelegten Verstecks in seiner
Villa in Como machte ihn wütend, und Bis und ich machten ihn mit
unserer Tätigkeit in Dongo nervös. Er mußte uns loswerden –
aber nicht durch Mord, wie bei den vorhergegangenen Bedrohungen.
Er beschloß, Verbindung mit Bis aufzunehmen und dabei nach
dessen wunden Punkten zu forschen. Er fand sie auch.
Bis hatte im Krieg alles verloren: Familie, Heim,
Familiengeschäft, Geld, Besitz. Auf diese Tatsache, daß er ein völlig
verarmter Mann war, gründete Hoffmann seinen Plan. Noch ehe der Krieg
offiziell endete, war Bis schon enttäuscht und verbittert darüber, daß
in Holland wieder dieselben Männer an die Regierung kamen, die bei den
Faschisten die Macht ausgeübt hatten. Dieselben Großindustriellen und
viele der üblen politischen Führer, die mit dem Feind kollaboriert
hatten, bekamen auch nach dem Krieg wieder großen Einfluß. Hoffmann
erkannte diesen Groll bei Bis und nutzte ihn geschickt aus. Er
überzeugte Bis, daß gerade der Schatz, den er suchen sollte, für den er
sein Leben aufs Spiel setzte, zweifellos letztlich dazu dienen würde,
die Machtergreifung der alten Faschisten zu unterstützen, die dann, mit
neuer Tarnfarbe auf den Gesichtern, wieder die Kommandogewalt ausüben
würden. Und schließlich fielen Hoffmanns Beteuerungen, Bis müsse für
den Verlust all seiner Lieben und all der Dinge, die er geliebt hatte,
entschädigt werden, auf fruchtbaren Boden. Hoffmann ließ Bis gewisse
konvertierbare Werte zukommen und sorgte dann dafür, daß die gesamte
Geldsumme auf einem Nummernkonto in der Schweiz deponiert wurde.
Was mich angeht, so brauchte meine Habgier gar nicht erst groß
geweckt zu werden. Als Angestellter von Scotland Yard war ich zahllose
Male in Ungnade gefallen, kurz und
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