Der Schatz von Dongo
ausdrücken?«
»Jawohl, sehr genau. Ich brauche eine viermonatige
Verlängerung meiner Aufenthaltserlaubnis in Italien. Ich brauche
entsprechende Unterlagen für das Kunstkollegium und die Genehmigung
dieser Behörde, so bald wie möglich mit den archäologischen Arbeiten zu
beginnen. Die Expedition braucht einen Spezialwagen, eine Ausrüstung
und eine Finanzierung für die vier Monate. Ich möchte meinen
Zuchthausfreund Giorgio in Neapel suchen und ihn für die Expedition
anheuern. Durch Giorgio werde ich alle benötigten falschen Dokumente
bekommen. Darüber hinaus besitzt er noch ein paar spezielle
Fähigkeiten, von denen die Polizei zwar zumeist nichts hält, die
unserer Expedition aber sehr gut zustatten kommen. Schließlich muß ich
noch Ted Middlekey und Bis de Jong ausfindig machen – ich
nehme an, sie leben in London und Amsterdam – und mit ihnen
sprechen. Die Familie von Arnoldo Disio muß ich auch auftreiben, aber
die werden wohl noch in Bellagio sein. Wenn das alles klappt, ich die
Leute zusammen habe, brauchen wir in Zonico eine Villa als
Hauptquartier und einen genügend großen Vorrat an Lebensmitteln.«
Dan war aufgestanden. »Paul, um Himmels willen! Was glaubst
du, was los ist, wenn du da wieder herumzuschnüffeln beginnst, vor
allem mit diesem Team, das du zusammentrommeln willst! Weißt du
überhaupt, was für ein Risiko du eingehst? Verdammt, ich brauche dir
erst gar nicht ganze vier Monate zu verschaffen; nach vierzehn Tagen
liegst du mit hundert Prozent Garantie im Leichenschauhaus von Como.
Und dort bist du ohnehin alle Sorgen los.«
»Aber es ist mein Risiko, Dan …«
»Und das deiner Freunde Middlekey, de Jong, Giorgio und aller,
die durch dich in diese Sache hineingezogen werden.«
»Aber die Risiken sind einkalkuliert. Glaubst du, diese Männer
wüßten nicht ganz genau, worum es geht? Und dann, was mich
betrifft … Ich bin dir zwar dankbar für die Besorgnis um mein
Wohlergehen, aber was macht es schon, ob ich auf diese oder jene Weise
tot bin? Vierundzwanzig Jahre lang habe ich als Toter in einer
Zuchthauszelle gelebt. Ich habe dir schon erklärt, daß ich für die
verlorene Zeit entschädigt werden will. Wenn ich meinen Kopf hinhalte,
dann ist das meine Sache. Das hat nicht das geringste mit den Risiken
zu tun, die ihr beide, du und Mr. Gibio, eingeht, wenn ihr mir helft.«
Gibio stand auf, und ich erhob mich ebenfalls. »Mr. Selwyn«,
sagte er, als hätte Dans Ausbruch überhaupt nicht stattgefunden, »ich
verstehe Ihren Vorschlag sehr gut. Sie sind aufrichtig und präzise
gewesen, und ich bin fasziniert von den Möglichkeiten, die Sie da
aufzeigen. Aber ich brauche ein wenig Bedenkzeit, denn schließlich
handelt es sich um ein recht umfangreiches Unternehmen. In ein bis zwei
Tagen werden Sie meine Antwort bekommen.«
Er begleitete uns zur Tür. »Nur eines noch, Dan«, fuhr er dann
fort, »und zwar angesichts Ihrer recht heftigen Reaktion: Falls meine
Entscheidung positiv ausfällt, würden Sie dann ebenfalls mittun? Ihre
Teilnahme wäre ganz offensichtlich von Vorteil, und ich möchte wissen,
ob ich damit rechnen kann.«
Dan sah mich an, zögerte. »Nun ja … Ich werde es mir
überlegen«, antwortete er. »Falls Paul sich nicht davon abhalten läßt,
käme mir eine Kiste Juwelen, glaube ich, recht gelegen.«
4
I ris führte mich bei der Gewerkschaft der
englischen Synchronsprecher ein, den Meistern jenes erstaunlichen
Arbeitsvorganges, bei dem man die Sprache durch eine andere ersetzt.
Ich nahm mir vor, die Gelegenheit zum Synchronisieren nicht
vorübergehen zu lassen, da mein kleines Kapital, genau wie Dan es
vorausgesagt hatte, in alarmierendem Tempo zusammenschrumpfte und es
noch ungewiß war, ob und wann Constantin Gibio Zusagen würde. Zuerst
mußte ich Mitglied der Gewerkschaft werden, der English Language
Dabbers' Association, die ihren Beitrag von fünftausend Lire von meiner
ersten Tagesgage abzog. Dann mußte ich mir jene ermüdende Geduld
verlangende Technik aneignen, mit deren Hilfe es gelingt, einen
englischen Satz im Rhythmus der Lippenbewegung italienisch Sprechender
auf der Leinwand von sich zu geben.
Ich konnte sofort an die Arbeit gehen. Der Film hieß ›Blood Is
Red‹, und ich sollte einen italienischen Schauspieler namens Vittorio
Gassman synchronisieren. Es war ein Kostümstreifen über eine
mittelalterliche Fehde in der Lombardei, in dem Vittorio
Gassman – und ich – einen schurkischen Fürsten
spielte. Der erste Satz, den ich mit
Weitere Kostenlose Bücher