Der Schatz von Dongo
bewirkte, daß mir das
alles wieder zu Bewußtsein kam und mein Schlaf von schwärzesten
Gedanken gestört wurde. Außerdem hatte ich während der vier Tage, die
sie in Zonico blieb, das unbehagliche Gefühl, daß sie mit den intimen
Erzählungen aus ihrem Eheleben im Grunde doch nur ein Ziel verfolgte,
mich zu verführen. Die Art zum Beispiel, wie sie mir die Hand auf den
Arm legte, als sie ihre Ekstase mit Dan beschrieb. Vielleicht
mißverstand ich sie auch, aber etwas preßte sich durch meinen Ärmel,
das mir allein zu gelten schien.
Ganz oben auf meiner Arbeitsliste rangierte
die gründliche Durchleuchtung des Prozesses von Padua im Jahre 1957,
der offiziell angesetzt worden war, um über jene Leute zu urteilen, die
mit dem Verschwinden des Schatzes zu tun hatten. Nach zwölfjähriger
Ermittlungsarbeit hatte die italienische Regierung schließlich
fünfunddreißig Personen angeklagt. Als Zeugen wurden dreihundert
Personen geladen. Ursprünglich war der Prozeß auf sechs bis acht Monate
angesetzt gewesen, aber er hatte kaum begonnen, als er durch den
Richter abrupt und unerklärlicherweise abgebrochen und danach nie
wieder aufgenommen wurde.
Angeklagte und Zeugen verschwanden, und die Regierung hatte
seitdem keine weiteren Versuche gemacht, zu klären, was aus dem Schatz
geworden war.
Während des kurzen, nur wenige Wochen währenden Prozesses
hatten einige wichtige Zeugen ausgesagt, und nun wollte ich nach Padua
fahren, um die Gerichtsprotokolle einzusehen. Vielleicht stieß ich
irgendwo auf eine Spur.
Die Fahrt von Dongo nach Padua dauert nur ein paar Stunden.
Man kann fast ausschließlich die Autostraße benützen, auf der es keine
Geschwindigkeitsvorschriften gibt. Die Archive des Schwurgerichts waren
ordentlich geführt, und so brauchte ich nur zwei Tage, um alle
Protokolle des Prozesses von 1957 zu sichten. Unter den dreihundert
Zeugen, die aussagen sollten, befanden sich auch Rachele Mussolini und
ihre Kinder Romano und Annamaria, aber nur sechsundzwanzig Personen
waren tatsächlich vernommen worden. Der wichtigste Angeklagte war Dante
Gorreri, der damals kommunistischer Abgeordneter in der Legislatur war
und dem man vorwarf, im Jahre 1945 die Summe von 400.000.000 Lire (zur
damaligen Zeit $ 32.000.000) erhalten und an seine Partei
weitergeleitet zu haben.
Gorreri schwor im Zeugenstand, er habe lediglich 15.000
Schweizer Franken erhalten, mit denen die antideutsche
Partisanentätigkeit finanziert worden sei. Er leugnete vor allem, eine
goldene Armbanduhr und einen Wecker angenommen zu haben, die einzigen
in seiner Wohnung gefundenen Gegenstände, die von Mussolini stammten.
Im Verlauf des Prozesses wurde Gorreri außerdem beschuldigt, den Mord
an den Partisaninnen Gianna und Anna Bianchi befohlen zu haben, der
öffentliche Ankläger jedoch griff in seinem Kreuzverhör dieses Thema
nicht auf. Die meisten Angeklagten leugneten glattweg, etwas erhalten
zu haben. Remo Mentasti, der einen Kasten Juwelen und andere
Gegenstände aus dem Besitz von Mussolinis Begleitung genommen haben
sollte, behauptete, nicht das geringste davon zu wissen. Ich sah alle
Aussagen durch, fand aber nur wenige, die mir von Bedeutung schienen.
Diese notierte ich mir sorgfältig:
Paolo und Giovanni Zatta, Zwillingsbrüder aus Mailand, sagten
aus, daß sie vorübergehend auf einem Bauernhof bei Lodi gearbeitet und
dort eine junge Frau getroffen hätten, die ihnen das Foto eines
ehemaligen deutschen SS-Offiziers gezeigt habe. Ehe er umgebracht
wurde, hatte ihr dieser Offizier von einem Kasten mit Gold und Juwelen
erzählt, der nahe dem rechten Ufer im Mera-Fluß versenkt worden sei.
Eine Zeugin namens Bianca Calli, die Tochter des
Bürgermeisters, die der Partisanin Gianna bei der Bestandsaufnahme des
Schatzes geholfen hatte, als dieser in die Bürgermeisterei von Dongo
gebracht wurde, sagte aus, Gianna hätte die Liste zum Abtippen mit ins
Schulhaus von Dongo genommen, ›wo sie jemand hatte, der ihr dabei half‹.
Carlo Maderna, ein Partisan, der einen Lastwagen gefahren
hatte, mit dem ein Teil des Schatzes nach der Bestandsaufnahme aus der
Bürgermeisterei abtransportiert wurde, erwiderte auf die Frage, ob die
kommunistischen Partisanen seine Ladung übernommen hätten: »Ach, wissen
Sie, da waren nicht nur Partisanen. Da waren auch Ausländer. Nicht zu
der Zeit, als Mussolini gefangen wurde, aber bestimmt, solange die
Beute noch in der Gegend war.« Als ich das las, mußte ich sofort an
Luigi Hoffmann denken, der wieder
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