Der Schatz von Dongo
doch letzten Endes siegten Dan, Giorgio und ich.
Als es dann soweit war, ergriff ich im Namen unserer
Expedition das Wort, erklärte, was wir bei den Ausgrabungen zu finden
hofften, und stellte die Mitglieder unserer Gruppe vor. Als Ted sich
erhob und höflich verbeugte, erwartete ich fast überraschtes Gemurmel,
er wurde jedoch mit der gleichen Zurückhaltung begrüßt wie vorher
Giorgio. Bei Bis war es genau dasselbe. Dan stellte ich gar nicht vor,
da er nur sporadisch in Erscheinung treten und seine aktive Beteiligung
auf ein Minimum beschränken wollte.
Als der formelle Teil des Abends vorüber war – vier
Ansprachen: von den beiden Bürgermeistern, von Hochwürden Ammasso von
Santo Antonio in Dongo und Pater Donato Piccionastro vom Kloster Santo
Zacharia –, wurden Speisen und Wein aufgetragen, und einige
Gäste begannen zu der stumpfsinnigen Musik zu tanzen.
Aber der Same des Erkennens fing schon bald an zu keimen.
Paulo Benfatto, der Krankenwagenfahrer in seiner verschlissenen ufficiale- Uniform , sprach mich an.
»Der Herr, den Sie uns vorgestellt haben … da drüben
steht er, ja, der … Er sieht genauso aus wie ein Offizier der
Alliierten, der einmal vor Jahren bei Kriegsende hier war. Meinen Sie,
es könnte derselbe sein?«
»Nun ja, Mr. Middlekey war tatsächlich Offizier der britischen
Armee. Er war schon vor dem Krieg Archäologe und ist natürlich
hinterher in seinen Beruf zurückgekehrt.«
»Wenn ich mich recht erinnere, war er wegen des Schatzes hier,
der damals verschwand, als Mussolini in Dongo gefangengenommen wurde.«
»Ganz recht. Sie haben ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Und
jetzt ist er im Zusammenhang mit seinem ursprünglichen Beruf hierher
zurückgekehrt, um zu sehen, ob er bei der Suche nach einem römischen
Bad, das lange vor dem Mussolini-Schatz verschwunden ist, mehr Glück
entwickelt. Aber es ist wirklich ein seltsamer Zufall, nicht wahr? Ich
meine, daß zwei Ereignisse dieser Art in einem so kleinen Ort wie Dongo
stattfinden.«
»Das dachte ich eben auch. Hat er übrigens jemals etwas von
dem Mussolini-Schatz aufgetrieben?«
»Das weiß ich nicht. Es fehlt noch eine ganze Menge, ja?«
»So heißt es.«
Kein Wort über Bis. Das Alter war für ihn ein ausgezeichneter
Maskenbildner gewesen.
Giorgio schob sich auf mich zu und vertraute mir, aus dem
Mundwinkel flüsternd, an, er habe das Gefühl, daß einiges von dem
verschwundenen Gold hier in den Goldverzierungen des Saales stecke. Vor
allem zwei goldene Greifen, die eine reichverzierte Anrichte
schmückten, hatten es ihm angetan. Ich gratulierte ihm zu dem
kompletten Wahnsinn, dem er nunmehr verfallen sei, und erinnerte ihn,
daß seine Aufgabe darin bestehe, die Schmuckstücke der Anwesenden zu
taxieren.
»Schon geschehen. Alles Simili oder Erbstücke aus Großmutters
Schmuckschatulle.«
»Halte weiter die Augen offen. Irgendein wogender Busen wird
dir schon was Interessantes unter die Nase halten.«
Pater Donato Piccionastro war Klosterverwalter von Santo
Zacharia, was bedeutete, daß er zu den wenigen Ordensgeistlichen
zählte, die sprechen und auch als Sprecher das Kloster in der Außenwelt
vertreten durften. Seine Geschwätzigkeit machte das Schweigegelöbnis
seiner stummen Brüder in reichlichem Maße wett. Er war Kettenraucher
und sprach fließend Englisch.
Beim ersten, nur oberflächlichen Gespräch mit ihm ergab sich
die ziemlich beunruhigende Tatsache, daß er Amateurarchäologe war und
schon an Ausgrabungen in Palermo und Catania teilgenommen hatte. Ob wir
etwas dagegen hätten, wenn er sich uns an den Tagen, da man ihn im
Kloster nicht brauche, anschlösse?
»Durchaus nicht. Wir freuen uns über jedes zusätzliche Paar
Hände.«
»Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, daß die Römer hier
ein Bad eingerichtet haben sollen. In Sirmione gab es die heißen
Schwefelquellen …«
»Wir haben Grund zu der Annahme, daß es hier ebenfalls heiße
Schwefelquellen gegeben hat, die aber seit langem versiegt sind!«
»Was Sie nicht sagen! Nun, es würde mich sehr interessieren,
Ihre Unterlagen und Graphiken zu sehen, und es ist äußerst freundlich
von Ihnen, mich an der Arbeit Ihrer kleinen Gruppe teilnehmen zu
lassen.« Hier stürzte er sich in einen detaillierten Bericht über einen
archäologischen Fund in Palermo. Ich aber dachte bei mir, während ich
ihm scheinbar zuhörte, daß unsere kleine Gruppe sehr, sehr vorsichtig
sein müsse.
Giorgio hatte geduldig gewartet, bis Pater Donato fertig war.
Dann
Weitere Kostenlose Bücher