Der Schatz von Dongo
aufgetaucht sein mochte, wenn auch
anonym.
Ein Rechtsanwalt namens Luigi Grassi, der 1945 Polizeichef in
Como war, berichtete von einigen Juwelen, die in Como aufgetaucht
waren. Ein Informant habe sie als die Squassoni-Lieferung für Dongo
bezeichnet. Der Name Squassoni war in meinen Aufzeichnungen und Notizen
nirgends aufgetaucht.
Ein Zeuge namens Terzi, ein Kommunist, platzte heraus, als er
im Zeugenstand vom Staatsanwalt hart bedrängt wurde: »Mag sein, daß
eine ganze Menge von dem Zeug durch unsere Hände
gegangen ist, aber in unsere Hände ist nichts
gelangt. Und mag ja auch sein, daß das Volk tatsächlich einiges von dem
Zeug zurückgekriegt hat.«
Während ich im Gerichtsgebäude die Prozeßakten durchsah,
sprach Giorgio, der mich begleitet hatte, mit Leuten, die schon 1957
hier bei Gericht gewesen waren und deren Aussage vielleicht einiges
Licht auf die ungeklärte Frage werfen konnte, warum der Prozeß so
plötzlich abgebrochen und später nie wieder aufgenommen worden war.
»Keiner will etwas sagen«, berichtete er. »Ich bin als
amerikanischer Journalist aufgetreten. Ich bin wirklich Klasse, wenn
ich New York-Italienisch oder Georgia-Italienisch rede. Möchtest du
vielleicht eine Probe davon?«
»Nicht jetzt, Giorgio. Jetzt will ich nur wissen, was du
überhaupt erfahren hast. Und bitte – verschon mich mit
Dialekt!«
»Aha, der Massa wird ungehalten. Okay. Also, zum Thema. Die
Leute hier sind alle ziemlich schweigsam, das kann ich dir sagen. Außer
einem. Der ist verschnupft, weil er bis gestern fest damit rechnete,
Bürovorsteher zu werden, und jetzt hat ein anderer den Posten erwischt,
und er ist stinksauer. Wir haben uns also in diese gemütliche
Gerichtskneipe gesetzt und ein paar Glas Wein gekippt – weißt
du, das Restaurant, wo wir zu Mittag gegessen haben. Er lädt sich
mächtig voll mit Chianti, und es dauert nicht lange, da fängt er an,
über diesen und jenen Richter zu reden, und ich stupse ihn ein bißchen
in die entsprechende Richtung, und plötzlich erwähnt er diesen Richter
Rambellini …«
»Aber das war nicht der prozeßführende Richter.«
»Stimmt, war er nicht. Aber er war der Amtsrichter, der
Vorgesetzte des prozeßführenden Richters, und er hat auch die
Meineidsuntersuchung angeordnet, auf die hin der Prozeß abgebrochen
wurde. Und nie wieder aufgenommen wurde. Aber hör zu, was jetzt kommt.
Es ist einfach unglaublich! Ein Jahr darauf – 1958 –
tritt Richter Rambellini, Beamter auf Lebenszeit, von seinem Posten
zurück und führt seitdem ein Leben in Saus und Braus. Er kauft sich
eine große, verdammt teure Villa in Florenz, ein Sommerhaus auf Capri,
ihm gehört dies und das, er hat einen großen Besitz in London. Alles
wußte mein Freund auch nicht genau, aber daß er eine kostspielige
Wohnung und sogar Rennpferde in London hat, wußte er. Dieser Richter
Rambellini ist ein Geldsack. Und wurde es erst genau ein Jahr nachdem
er den Prozeß hatte platzen lassen.«
12
D er Empfang, den wir für die Bürger von
Zonico-Dongo gaben, fand in der Sala d'Oro des Rathauses von Dongo
statt, in einem Barockballsaal mit Freskodecke, der auf allen
Ansichtskarten von Dongo abgebildet ist und eine letzte Erinnerung an
den Glanz des neunzehnten Jahrhunderts darstellt. Beide Bürgermeister
hatten die Amtsschärpen angelegt, die Damen trugen an deutlich
sichtbarer Stelle sämtliche Preziosen, die sie besaßen, Militärorden
zierten die Rockaufschläge, jeder, der eine alte Galauniform besaß,
prunkte darin, andere trugen Abendkleidung verschiedenster
Moderichtungen und Jahrgänge, und diejenigen, die keine Abendkleidung
besaßen, trugen einfach den schwarzen Sonntagsanzug mit weißem Hemd und
schwarzer Krawatte. Die ganze Versammlung wirkte wie die Statisterie
für einen recht nachlässig produzierten Kostümfilm. Die kleine
Musikkapelle, die wir uns aus Gravedona hatten kommen lassen, spielte
in schöner Eintönigkeit einen Walzer nach dem anderen.
Am Nachmittag vor der Party hatten wir eine hitzige
Auseinandersetzung darüber, ob Ted und Bis ebenfalls in Erscheinung
treten und damit bei denjenigen, von denen sie erkannt wurden,
absichtlich Argwohn im Hinblick auf unser eigentliches Vorhaben
erwecken sollten – ein Wagnis, das natürlich die Spannung
steigern würde. Oder ob wir vorläufig auf Nummer Sicher gehen und die
Wahrheit über unsere Schatzsuche so lange wie möglich geheimhalten
wollten. Bis und Ted traten eisern und lautstark für die zweite
Alternative ein,
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