Der Schatz von Dongo
»Prickeln.«
»Ist das schmutzig?«
»Nein. Es bedeutet erregen oder angenehm stimulieren.«
»O ja, das hoffe ich. Heute abend.«
»Hm. Ich fürchte, ich werde mich nicht sehr friedvoll
fühlen …«
»Es war eine Ausnahme, daß der Junge wach wurde.«
»Ich würde mich unbehaglich fühlen. Ich wäre … na ja,
nervös.«
»Ich würde ja mit in dein Hotel kommen, aber ich habe eine
furchtbare Abneigung gegen Hotels. Gegen schwedische Hotels. Nur
schwedische. Alle sehen mich an, als wüßten sie, daß ich ohne Schlüssel
komme. Im Lift, da solltest du die Augen der schwedischen Männer sehen,
wie sie dich mustern: Wenn du mit dem fertig bist, komm doch zu mir!
Und der Portier mit seiner langen, schwedischen Nase. Es ist ganz
schrecklich. Besonders morgens. Der Liftboy macht großen Lärm mit dem
Gitter, wenn man aussteigt, und der Portier schaut auf, und der
Postmann, und der Kassierer, und alle machen so saure Gesichter, daß
die Leute in der Halle zu einem 'rübersehen. Wie die Griechin, die von
den Dorfbewohnern gesteinigt wird. Paß auf, morgen ist Samstag. Ich
werde die Jungens für das Wochenende zu Freunden aufs Land schicken. Du
kommst gegen Mittag, ich koche für uns, und dann können wir bis
Sonntagabend im Bett bleiben. Also! Dann werden wir nachholen, was wir
versäumt haben.«
Bis kam am nächsten Morgen zum Frühstück in
mein Hotel, und wir besprachen weitere Einzelheiten des bevorstehenden
Unternehmens. Er gab mir sein Dossier mit auf den Weg. Ich packte und
nahm die Elf-Uhr-Maschine nach Rom. An Keva schickte ich vom Flughafen
aus einen Kaschmirpullover mit einem Briefchen, in dem ich mich für die
plötzliche Abreise entschuldigte. Während des ganzen Rückfluges nach
Italien mußte ich an sie denken und fragte mich, ob sie ein untilgbares
Zeichen an mir hinterlassen hatte.
Dritter
Teil
11
D ie Expedition nach Dongo startete am 7.
August. Ted und Bis fuhren den sandfarbenen Lieferwagen mit der
nüchternen Aufschrift ›Spedizione Internazionale‹ an der Wagentür,
während ich ihnen in einem Volkswagen-Kombi folgte. Den Lieferwagen
hatten wir kaufen müssen, den Kombiwagen aber für neunzig Tage
gemietet. Wir trugen alle Khaki – nicht gerade uniformmäßig,
und nicht unbedingt zueinander passend. Aber es gab uns genau das
richtige Flair.
Wir nahmen natürlich dieselbe Route wie Mussolini bei seiner
Flucht. Es war die Hauptroute nach Dongo und führte von Como aus den
See entlang, durch kleinere Ortschaften wie Cernobbio, Moltrasio,
Tremezzo und Menaggio, die alle im Hin und Her der letzten drei Tage
Mussolinis eine Rolle gespielt hatten.
Giorgio war als Quartiermacher vorausgefahren, und wir hatten
mit dem Aufbruch gewartet, bis er uns mitteilte, er habe das Richtige
für uns gefunden: eine große, möblierte Villa in Zonico, hoch auf dem
Kamm eines steilen Gebirgsausläufers, mit weitem Blick auf den Comer
See. Als ich aus Stockholm nach Rom zurückkehrte, hatte Giorgio schon
ungeduldig auf mich gewartet, und wir hatten ein frohes, herzliches
Wiedersehen gefeiert. Er war ein Mensch, dem ich vertrauen konnte, und
er hatte Vertrauen zu mir. Die anderen Leute, mit denen ich es jetzt zu
tun hatte – auch Dan –, waren mir verhältnismäßig
fremd. Giorgio dagegen war für mich Familie. Die Freundschaft, die wir
im Zuchthaus geschlossen hatten, war tief und fest.
Ich hatte mit Giorgio häufig über die Schatzsuche gesprochen
und daher nun das Gefühl, daß er darüber mehr wußte als die anderen und
auf jeden Fall optimistischer im Hinblick auf die Ratsamkeit und die
Aussichten unseres Unternehmens war. Giorgio war Ende dreißig,
temperamentvoll, ungeduldig und vollkommen skrupellos. Er hatte ein
ungeheures Talent, das Gesetz zu umgehen oder unbeschadet durch dessen
Maschen zu schlüpfen. Besondere Fertigkeit besaß er im Fälschen, im
öffnen von Schlössern, im Leeren von Taschen und im Ausklügeln der
verschiedensten Schwindeleien. Gelegentlich sprach er englisch mit
scherzhaft übertriebenem italienischen Akzent, manchmal imitierte er
den britischen Akzent, dann wieder sprach er ganz normal oder mit einem
Anflug von Hippie-Slang. Diese linguistische Vielseitigkeit verdankte
er einem zweijährigen Aufenthalt in London, wo er an einem
hochkomplizierten Zwei-Millionen-Pfund-Schwindel mitgearbeitet hatte,
der beinahe geklappt hätte. Doch ›beinahe‹ genügt in der Gaunerwelt
eben nicht, und Giorgio konnte von Glück sagen, daß er noch wenige
Stunden, bevor Scotland Yard die
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