Der Schatz von Dongo
Klosterverwaltung und konnte sich außerhalb der
Mauern frei bewegen. Heute abend war um acht Uhr in der Kirche eine
Sitzung anberaumt, vermutlich war er gerade auf dem Weg dorthin.«
»Sie sagen, er hatte Dongo verlassen. Wohin ist er denn
gegangen?«
»Ach, auf einen langen Studienurlaub, an den verschiedensten
Orten.«
»Und wo? Ist Ihnen das bekannt?«
»Wo? Hm, warten Sie mal, was hat er mir doch erzählt? Ich weiß
nicht genau, überall in Italien eben. Dann Lourdes, und … Ach
ja, dann hat er in London Verwandte besucht.«
»Wann war das?«
»Das war im vergangenen Jahr … Oder im Jahr davor.
Ich kann es nicht mehr genau sagen.«
»Hat er Ihnen viel von London erzählt?«
»Wie meinen Sie das?«
»Na, etwa, wen er dort aufgesucht hat, was er gemacht
hat …«
»Nicht, daß ich wüßte.«
Der Arzt war mit der Untersuchung fertig. Benfatto rief ein
paar junge Männer zu Hilfe, die mit ihm zusammen den Toten aufhoben und
in den Krankenwagen trugen. Dann ging Benfatto zum Arzt hinüber. Ich
stand so dicht neben den beiden, daß ich mit anhören konnte, was sie
sagten.
»Was soll ich in meinen Bericht schreiben, Doktor?«
»Tod durch zahlreiche innere Verletzungen, verursacht durch
einen schweren Stoß in den Rücken.«
»Von einem Auto?«
»Höchstwahrscheinlich.«
»Aber von hinten?«
»Eindeutig von hinten.«
»Dann muß er vor dem Wagen hergegangen sein.«
»Das weiß ich nicht.«
Oder, dachte ich, er ist vor dem Wagen davongelaufen. Ich
griff nach Juliettas Arm und führte sie durch die Menge davon. Die
Türen des Krankenwagens schlossen sich, und die Neugierigen begannen
sich zu zerstreuen.
Ich fühlte, wie jemand an meinem Jackenärmel zupfte. Es war
die kleine alte Dame mit dem Helm. Sie wirkte fürchterlich aufgeregt,
ihre Lippen bebten, ihr Atem ging keuchend.
»Sie haben mein Geheimnis mit dem Helm so gut bewahrt. Ich
weiß, daß ich Ihnen vertrauen kann. Versprechen Sie mir, mich nicht zu
verraten?«
»Ja, ich verspreche es.«
»Ich habe es gesehen. Ich war … Ich war … Da
ist ein Gäßchen, das zu meinem Haus führt, und ich hatte Pater Laekla
gerade überholt, als es hinter mir krachte. Ich höre nicht mehr sehr
gut, aber da war dieses Automobil ohne Licht, und das hatte Pater
Laekla überfahren. Ein Mann stieg aus, es waren zwei Männer –
der eine, der das Auto lenkte, und dieser andere. Er drehte Pater
Laekla mit dem Fuß auf den Rücken und durchsuchte seine Kleidung. Dann
ging er wieder zum Auto zurück, und ich drückte mich ganz in den
Schatten der Wand, damit sie mich nur nicht sahen. Es ging alles sehr
schnell, sie waren gleich wieder verschwunden, und ich hatte viel zu
große Angst, um nachsehen zu gehen. Aber Sie müssen mir versprechen,
niemandem zu verraten, wer … wer es Ihnen gesagt hat, nicht
wahr? Das müssen Sie mir fest versprechen, sonst kommt der Mann, dieser
Mann, auch noch zu mir …«
»Ich verspreche es Ihnen, beruhigen Sie sich. Hat der Mann bei
Pater Laekla gefunden, was er suchte?«
»Ganz sicher bin ich nicht. Das Straßenlicht ist schlecht, und
meine Augen sind alt. Aber ich glaube, daß er etwas genommen und
eingesteckt hat.« Sie hielt zitternd inne.
»Was für ein Auto war es denn? Können Sie es beschreiben?«
»O nein, Sir. Ich kenne mich nicht aus mit Autos.«
»War es groß oder klein?«
»Nun, so in der Mitte. Wie man sie häufig sieht.«
»Haben Sie das Gesicht des Mannes gesehen? Gibt es irgend
etwas, das Sie mir über ihn sagen können?«
»Nein. Er war ganz schwarz angezogen. Sein Gesicht habe ich
überhaupt nicht gesehen.«
»War er groß, klein, dick …«
»Ich weiß es nicht. Es ging alles so schnell. Ich hatte so
furchtbare Angst. Er kam mir riesig vor, aber das liegt wohl nur an
meiner Angst.«
»Wenn Sie riesig sagen, meinen Sie damit dick?«
»Nein, einfach … groß. Ja, groß, er war sehr groß.
Ich muß jetzt gehen. Ich darf nicht auffallen. Ach, der arme Pater
Laekla! Der Arme! Ich habe so oft bei ihm gebeichtet, als er noch in
Dongo war. Aber, wissen Sie, jetzt war er ja in Santo Zacharia. Ich muß
für ihn beten, den Armen!«
Es war natürlich sinnlos, aber wir gingen
trotzdem noch in die Kirche. Pater Laekla hatte unser Treffen im
Beichtstuhl offensichtlich auf die Zeit nach der Kirchenversammlung
angesetzt und war ermordet worden, um unser Gespräch zu verhindern. Es
war bereits lange nach der verabredeten Zeit. Ted und Bis hatten uns
nicht finden können und waren im Volkswagen zur Villa
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