Der Schatz von Dongo
zurückgefahren.
Es war ein Vollmondabend, eine wunderschöne Nacht zum Spazierengehen,
daher schlug ich mit Julietta die alte Landstraße ein, die größtenteils
bergab lief und zu dieser Zeit menschenleer war.
»Findest du es nicht seltsam, daß Pater Laekla und Richter
Rambellini beide in London waren?« fragte Julietta.
»Meine Annahme, daß es sich bei dem Beichtenden in London um
den Richter handelte, scheint jedenfalls falsch zu sein, nicht wahr?«
»Aber beide in London, Paul …«
»Ja. Verdächtiger Zufall. Sehen wir mal, was das bedeuten
könnte. Falls die Geschichte mit dem Besuch bei Verwandten nur Tarnung
war, dann hat Laekla vielleicht den Richter aufgesucht …«
»Oder er wurde zu ihm geschickt.«
»Oder das. Dann hat er also Befehl erhalten, den Richter aufzusuchen, und sich im Anschluß an dieses Treffen
entschlossen, die Aussage über die versteckten Dokumente zu machen.«
»Ich habe über die alte Kirche nachgedacht. So dicht bei dem
Haus von Signora Mussolini. Warum hat Pater Laekla die Dokumente
ausgerechnet dort versteckt?«
»Du meinst, er hat Signora Mussolini womöglich aufgesucht?«
»Ja. Entweder, um ihr die Dokumente anzubieten, oder, um sie
von ihr zu bekommen.«
»Warum sollte sie ihm diese Papiere aber geben?«
»Na ja, dies hat sich doch vor zwanzig Jahren ereignet.
Vielleicht war da eine Erpressung, irgendeine Drohung gegen Rachele
Mussolini im Spiel.«
»Vielleicht ging es dabei um ihre Kinder. Um Vittorio. Du
darfst nicht vergessen, daß Vittorio seinem Vater aktiv bei der Flucht
geholfen hat. Benito hatte ihn in die Schweiz geschickt, wo er
Verbindung mit der Schweizer Regierung aufnehmen und Mussolinis
Internierung vorbereiten sollte. Die Partisanen hatten einen Preis auf
seinen Kopf ausgesetzt.«
»Er ist nach Südafrika entkommen, nicht wahr?«
»Ja. Aber wenn man ihn nun als ein Teil der Gegenleistung hat
entkommen lassen?«
»Aber wenn Pater Laekla nun nur als Kurier fungierte und
demjenigen, der ihn geschickt hatte, die Dokumente nicht ablieferte?«
»Gut. Aber wenn er nur einen Teil der Dokumente ablieferte und
einen anderen Teil behielt – den Teil, den er versteckte? Du
sagtest doch, daß einige der Papiere aus größeren Aktenpaketen
stammten, wie etwa die Churchill-Briefe und die Tagebücher.«
»Du meinst also, Laekla fuhr nach Carpignano, um ein Geschäft
in die Wege zu leiten, irgend etwas, das Rachele Mussolini als
Gegenleistung für bestimmte Briefe und Dokumente verlangte, die sie
besaß. Das ist recht unwahrscheinlich, weil diese Dokumente in Dongo
beschlagnahmt wurden. Wie sollten sie in Racheles Hände gelangen?«
»Wie wäre es denn mit der umgekehrten Version – daß
Pater Laekla diese Papiere als Gegenleistung für etwas brachte, was
sich in Racheles Besitz befand?«
»Ich möchte bezweifeln, daß sie etwas besaß, was größeren Wert
hatte als diese Dokumente. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit:
Pater Laekla könnte diese Dokumente besessen haben, ohne daß jemand
etwas davon ahnte. Schließlich war er zum Zeitpunkt von Mussolinis
Festnahme Priester an der Kirche von Dongo gewesen. Falls er nun ein
gewissenhafter Mann war, wollte er sie Signora Mussolini vielleicht
bringen und suchte sie deswegen auf.«
»Warum hat er sie dann aber wieder mitgenommen?«
»Weil die Zeiten damals, wie du schon sagtest, gefährlich
waren und Rachele Mussolini zweifellos von den Männern, die hinter
diesem Schatz her waren, verschiedentlich bedroht worden war …
Man wollte sie zwingen, alles, was sie an Wertvollem besaß,
herauszugeben. Ich kann mir vorstellen, daß alte Briefe und Dokumente
ohne realen Wert das Letzte waren, was sie in ihrem Besitz haben
wollte, solange sie und ihre Kinder derart bedroht wurden. Bestimmt
hatten die Schatzsucher sie schon nach solchen Gegenständen brutal
befragt, und ich möchte wetten, daß sie schon mehr als einmal in
Carpignano waren. Nein, alte Dokumente wollte sie nicht.
Falls Pater Laekla Geld oder Gold gebracht hätte, das Benito
bei sich gehabt hatte, dann hätte sie es wohl angenommen. Da stand nun
Laekla mit diesen gefährlichen Dokumenten, die er den kaltblütigen
Killern, die hinter dem Schatz her waren, nicht anvertrauen wollte, die
er aber auch nicht behalten wollte. Also, was hat er getan? Nach seinem
Besuch bei Signora Mussolini ging er ein kurzes Stück zu Fuß und
versteckte sie an dem ersten günstigen Platz, an dem er vorbeikam: in
der verlassenen Kirche.«
»Aber warum hat sich Pater
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