Der Schatz von Dongo
kühl und dunkel, und überall in den Mauerritzen
wucherte es grün. Nach dem Zustand des Fußbodens zu schließen, hatten
die Suchtrupps auch hier gewirkt. Wo einst der Altar gewesen war, lag
jetzt ein Trümmerhaufen. Ein altes, hölzernes Kruzifix hing noch an
seinem Platz, und einige der Wandnischen enthielten Steinurnen. An der
hinteren Wand, links und rechts neben der Tür, standen zwei Sarkophage:
der eine, rechts, vermutlich aus Kalkstein, war stark verwittert und
erodiert, der linke jedoch war aus härterem Stein. Er war jüngeren
Alters, und seine reichverzierten Friese waren intakt. Obenauf lag das
steinerne Abbild des Toten, vermutlich des Edelmannes, der ehemals Herr
dieser Gegend gewesen war. Sonst gab es in der Kirche nichts.
Ich stocherte in den Altartrümmern herum – ohne
Erfolg. Dann hob ich Julietta an den Knöcheln hoch, damit sie einen
Blick in die Steinurnen werfen konnte; sie waren leer. Sorgfältig
inspizierten wir alle schweren Steine der Mauern, doch keiner machte
den Eindruck, als wäre er von seinem Platz gerückt worden. Ebensowenig
die Steine des neueren Sarkophags. Dann schob ich mich hinter den
älteren, verwitterten Sarkophag, der ein Stück von der Mauer entfernt
stand, und kratzte die grüne Schimmelschicht ab, die seine Rückseite
überzog. Mir wollte scheinen, daß die beiden mittleren Steine nicht
ganz in einer Ebene mit den übrigen standen. Julietta schob sich von
der anderen Seite her neben mich. Sie sah es ebenfalls.
Langsam und sorgfältig lockerte ich mit der Ahle meines
Taschenmessers (meines unübertrefflichen Schweizer Offiziersmessers,
dem einzigen Gegenstand, der mir bei der Entlassung aus dem Zuchthaus
zurückgegeben worden war) einen der Steine und zog ihn mit Juliettas
Hilfe heraus. Der Nebenstein ließ sich nun mühelos herausnehmen, und
die Ränder der Anschlußsteine bröckelten ein wenig ab. Ich versuchte
den Deckel des Sarkophags zu heben, aber es ging nicht. Ich steckte die
Hand durch die entstehende Öffnung und tastete innen herum. Zuerst
stieß ich auf einen dicken Knochen, dann, weiter oben, auf eine Anzahl
kleinerer Skelettstücke und schließlich auch auf den Schädel. In der
entgegengesetzten Richtung fand ich ebenfalls nichts als Knochen. Die
freudige Erregung, die der Gedanke an einen bevorstehenden Fund
ausgelöst hatte, erlosch.
»Aber diese beiden Steine sind eindeutig einmal herausgenommen
worden«, sagte Julietta.
»Vielleicht von einem Grabräuber, der den Schmuck des Toten
gestohlen hat, oder so etwas Ähnliches.«
»Bist du sicher, daß du alles abgesucht hast?«
Irgend etwas störte mich. Bildete ich es mir ein, oder lag der
Schädel tatsächlich ein wenig erhöht? Ich steckte die Hand wieder
hinein und schob sie, die Innenfläche nach unten, zum Schädel hinauf.
Nein, ohne Zweifel: kurz ehe ich den Schädel berührte, stieß ich auf
eine deutlich spürbare Erhebung. Ich rollte den Schädel zur Seite und
tastete dort herum, wo er gelegen hatte. Unter einer dünnen
Staubschicht fand ich eine flache Metallkassette, die ehemals mit
Leinen überzogen gewesen war, das aber fast gänzlich verrottet war. Die
Kassette paßte genau durch die Öffnung. Das Metall war bleifarben und
nicht verrostet, das Vorhängeschloß am Deckel jedoch hatte starken Rost
angesetzt. Rasch schoben wir die beiden Steine an ihren Platz zurück
und bemühten uns, alles wieder so herzurichten, wie es gewesen war.
Ich steckte die Kassette, die höchstens fünf Zentimeter dick
war, unter mein Hemd, dann kehrten wir gemächlich zu unserem Wagen
zurück und fuhren davon.
In Como machten wir Station und nahmen die
Kassette mit in Juliettas Wohnung hinauf. Es war natürlich keineswegs
sicher, daß sie Mussolinis Schatz enthielt, doch als ich das Schloß
untersuchte, zitterten meine Finger vor unterdrückter Erregung. Der
Ring des Schlosses war so von Rost zerfressen, daß er beim ersten
kräftigen Hammerschlag brach. Innen fanden wir, dick in Öltuch
verpackt, einen blauen, mit blauem Band verschnürten Aktendeckel. Das
Papier war ausgezeichnet erhalten. Blaues Band, blauer Aktendeckel.
Mitten darauf stand: ›Für Benito Mussolini. Geheim.‹ Ich löste das Band
und reichte Julietta den Inhalt, den sie sorgfältig auf dem Tisch
ausbreitete. Über jedem Dokument standen in großen, roten Buchstaben
die Worte: ›Geheim. Für Benito Mussolini.‹ Die Dokumente selbst
betrafen die verschiedensten Staatsangelegenheiten: den Krieg, die
Triest-Affäre, Dispositionen für
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