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Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Titel: Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Barkawitz
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lang gesammelt hatte, konnte sie ihren Weg fortsetzen.
    Ein altes Mütterchen kam ächzend die schmale Treppe hinab, einen leeren Wassereimer in der Hand.
    »Entschuldigen Sie – ich suche Fräulein Marie Stevens«, sagte Anna.
    »Das Flittchen aus dem Hannoverschen? Die wohnt im Hinterhaus.«
    So lautete die Antwort aus dem zahnlosen Mund der Alten, nachdem Anna ihre Worte innerlich ins Hochdeutsche übersetzt hatte. Die Menschen in den Gängevierteln sprachen breitesten Hamburger Dialekt, den die Absolventin eines humanistischen Gymnasiums nicht beherrschte, aber wenigstens einigermaßen verstand. Anna selbst konnte besser Latein und Altgriechisch als Missingsch sprechen. Sie bedankte sich bei der Bewohnerin und drang noch tiefer in das Haus ein, das immer stärker einer Höhle ähnelte.
    Dies war nicht Annas erster Besuch bei den Ärmsten der Armen, aber sie hatte sich immer noch nicht an das Elend gewöhnen können. Im Gegenteil – je öfter sie für das Komitee zur Rettung gefallener Mädchen in das Gängeviertel vordrang, desto stärker wurde ihr Bedürfnis, den Menschen zu helfen.
    Anna blinzelte. Hier im hinteren Teil des verschachtelten Gebäudes waren die Lichtverhältnisse noch schlechter. Sie benötigte einige Augenblicke, bis sie sich an die noch trübere Beleuchtung gewöhnt hatte. Die junge Frau erblickte eine Mutter, die bei offenstehender Wohnungstür auf einem Herd Suppe kochte, während sie von einer Schar blasser Kinder umringt wurde. Eine funktionsfähige Lüftung gab es nicht, daher zog der Qualm auf den Gang ab.
    »Marie Stevens?«, brachte Anna hervor. Der Rauch brannte in ihren Augen.
    »De wohnt boven«, sagte die Frau am Herd und deutete mit dem Kinn auf eine Hühnerleiter. Die Sprossen sahen nicht gerade vertrauenerweckend aus. Aber Anna hatte genug Gottvertrauen, um die Leiter zu erklimmen. Sie bemerkte eine schmale Tür, die nur angelehnt war.
    »Marie?«, sagte Anna mit fragendem Unterton. Sie hatte ein knarrendes Geräusch vernommen. Plötzlich wurde sie von Panik befallen. Die Hitze und die schlechte Luft drückten auf ihre Stimmung. Am besten wäre es gewesen, sofort die Flucht zu ergreifen – oder? Anna blieb unschlüssig stehen. Aber dann siegte ihre Abenteuerlust über die Furcht.
    Die junge Frau stieß die Tür auf und betrat den Raum. Augenblicklich löste sich ein Schatten aus der Finsternis des düsteren Zimmers. Sie wurde mit festem Griff am Arm gepackt. Anna schrie erschrocken auf.
    »Immer mit der Ruhe«, ließ sich eine tiefe männliche Stimme vernehmen. »Vor der Polizei muss niemand Angst haben, der nichts zu verbergen hat.«
    Der Mann, der Anna festhielt, trat einen Schritt zur Seite und öffnete mit der anderen Hand das winzige Fenster. Nun drang nicht nur etwas frische Luft, sondern auch ein Lichtstrahl in die winzige Kammer. Anna sah nun, dass sie von einem Constabler festgehalten wurde. Aber der Anblick seiner Uniform trug nicht zu ihrer Beruhigung bei. Denn sie stand nun dem Polizisten gegenüber, der noch vor kurzer Zeit den Mann in der Toreinfahrt misshandelt hatte!
    »Hat es Ihnen die Sprache verschlagen, junge Dame? Sie haben nach Marie gerufen. Ich muss also davon ausgehen, dass die Bewohnerin dieses Zimmers Ihnen bekannt war. Wie lautet Ihr Name?«
    »Ich bin Fräulein Anna Dierks.« Die junge Frau schaute ihr Gegenüber verächtlich an. »Darf ich fragen, mit wem ich das ... Vergnügen habe?«
    »Offiziant Lukas Boysen vom Hamburger Constabler Corps«, sagte der Mann und tippte sich mit der freien Hand an seinen Helmrand.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, meinen Arm loszulassen, Constabler Boysen?«
    »Offiziant Boysen«, berichtigte der Uniformierte. Aber er ließ seine Hand immerhin sinken. Anna nahm ihn nun näher in Augenschein, wobei sie ihren Widerwillen nicht verbergen konnte. Gewiss, oberflächlich betrachtet sah dieser Boysen recht sympathisch aus. In seinen Gesichtszügen glaubte Anna sogar so etwas wie Intelligenz zu erkennen, jedenfalls für die Verhältnisse der unteren Stände. Es handelte sich also wohl eher um eine Art Bauernschläue. Aber sie konnte einfach nicht vergessen, wie roh er mit diesem wehrlosen Zivilisten umgesprungen war.
    »Wie auch immer«, erwiderte Anna arrogant. »Darf ich fragen, was Sie im Zimmer einer unverheirateten jungen Dame zu suchen haben, Offiziant Boysen?«
    Falls Boysen die ironische Betonung seines Titels bemerkt hatte, ließ er sich das nicht anmerken. Er zuckte mit den Schultern.
    »Eigentlich stellt die

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