DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
über seinen Scherz lachten, liess er sich bei der internationalen Telefonauskunft die Nummer geben und wählte durch. Prompt nahm einer der persischen Kidnapper den Hörer ab. «We can not give you interview», stotterte er aufgeregt. Radio 24 sendete alles live.
Schawinski liess nichts unversucht, um Radio DRS zu überbieten. Mit Telefonspielchen, Wettbewerben und Wunschkonzerten hielt Radio 24 Kontakt mit dem Publikum; besonders anhängliche Bewunderer kreuzten am Samstagabend während der Hörersendung Phone-in mit Wein und Kuchen im Studio auf. Um so tragischer erschien vielen der drohende Verlust, als nach dem letzten abgewiesenen Rekurs das endgültige Aus bevorstand.
In die Enge getrieben, spielte Schawinski seinen letzten Trumpf: In einem dramatischen Appell forderte er seine Hörerinnen und Hörer auf, zur Talstation nach Madesimo zu reisen, um den Sender zu verteidigen. Tausende Fans zogen unter dem volkstümlichen Motto «Aktion Groppi» ins letzte Gefecht.
Zunächst verhinderte ein Unwetter auf dem Gipfel die Stillegung, und ein Radio-24-Desperado schrieb ein Gedicht:
Am Groppera blaast de Wind,
Drum mir au rächt glückli sind.
Windet’s nümme – das wär tumm –,
Isch’s Radio 24 sofort schtumm.
Doch d’Schawinski-Fans, die schalted scho
Und reised nach Madesimo.
Wenn deet rächt vill Schwyzer s’Muul uufryssed,
d’Carabinieri fascht i d’Hose schyssed.
Eine Woche später, am 25. November 1980, rückten rund dreissig Grenadiere in Kampfausrüstung und mit Schlagstöcken und Maschinenpistolen bewaffnet an.
Während es jetzt für die Radio-24-Mitarbeiter nur noch darum ging, angesichts der gewaltbereiten Übermacht die Fans an jeglichem Widerstand zu hindern und Ausschreitungen zu verhüten, sass Schawinski bis zuletzt am Mikrophon und erklärte, mit welchen Tricks Armin Walpen die italienischen Behörden gegen seinen Sender aufgehetzt habe.
«Darüber haben wir bereits seit dem letzten Herbst und Winter informiert, und zwar aufgrund von Gesprächen in Rom», verkündete er um 13 Uhr 17, «und jetzt haben wir es auch noch dokument…»
Mitten im Satz wurde Schawinski abgeklemmt, und in den Ohren seiner Bewunderer klang es, als hätten die Scharfrichter von Radio 24 soeben ihren Freiheitskämpfer guillotiniert.
Die Anteilnahme war grenzenlos. «Auf allen Wandtafeln unserer Schule haben wir heute draufgeschrieben», übermittelte per Telex eine Schulklasse aus Wohlen, «wir glauben auch alle daran, dass noch nicht die letzte Stunde für unser Radio geschlagen hat. Gott mit euch!»
Auch Bundesrat Leon Schlumpf wurde in den kommenden Tagen mit Tausenden Briefen und Telegrammen eingedeckt. «Können Sie der durchlittenen, echten Trauer nachfühlen, die tatsächlich fliessenden Tränen überhaupt verstehen? Ahnen Sie etwas von jener Wut, jenen Aggressionen, jenen Gefühlen absoluter Ohnmacht, die sich hierzulande bei jung und alt bilden? Können Sie den Schaden ermessen, den das Ansehen unseres Staates bereits erlitten hat?» hiess es in einem Schreiben. «Tun Sie, Herr Bundesrat, bitte etwas Tapferes, möglichst unverzüglich!»
Als Millionär und gefeierter Medienpionier kehrt Schawinski nach Zürich zurück – und scheitert als Familienvater
Vom unrasierten Piraten zum properen Businessmann mit Dallas-Allüren
Es war am 2. August 1967, als in der Regionalzeitung Die Ostschweiz Roger Schawinskis erste Kolumne unter dem Kürzel «R. Sch.» erschien. Der aufstrebende Student an der Hochschule St. Gallen versetzte sich gedanklich schon einmal in die Welt der High-Snobiety, wo teure Autos und schöne Frauen eine wichtige Rolle spielen. «Ich war unterwegs ins Büro, genau wie immer», beginnt die Geschichte, «plötzlich stoppte ein dunkelroter Sportwagen neben mir, die Scheibe wurde heruntergekurbelt, und das höhensonnengebräunte Gesicht meines Freundes Albert grinste mir entgegen.»
Schawinski schildert, wie ihn dieser Albert für Samstagabend zu einer Party einlädt. Doch: Woher so schnell die passende Begleiterin hernehmen? «Im Büro angekommen zückte ich sofort mein ominöses roteingebundenes Adressbüchlein und begann eine erste, kurze Bilanz zu ziehen: Von den dort aufgeführten 82 Namen weiblicher Wesen fielen aus: 21 wegen Auslandaufenthalt, 36 mit festen Freunden, 4 mit Gipsbeinen und anderen Wintersportsouvenirs, 6 wegen ernstgemeinten Prüfungsvorbereitungen und elf konnten überhaupt abgestrichen werden (verlobt oder verheiratet). Somit
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