DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
dünnen Holzstäbchen einigten sie sich auf einen Betrag, den Schawinski für Grohes Drittelsbeteiligung hinzublättern hatte – und zum Dessert schob er ihm einen Scheck («mit einer hohen sechsstelligen Summe») über den Tisch. Erstmals in seinem Leben erlebte Schawinski das betörende Gefühl von Big Business – und wenn er sich später mit Ina daran erinnerte, redeten sie jeweils vom «Dallas-Lunch».
Überall in der Schweiz sass das Publikum gebannt vor den Apparaten, als sich Fernsehmann Heiner Gautschi im Januar 1983 live aus der guten Stube der Familie Schawinski meldete. Punkt acht Uhr ging an diesem Mittwochabend die Talkshow Unter uns gesagt auf Sendung. Der kleine Kevin blinzelte vorwitzig in die Kamera, Ehefrau Ina war bereits wieder im sechsten Monat mit Joelle schwanger, und Roger Schawinski präsentierte sich als lässigen Selfmade-Mann auf dem Höhepunkt seiner steilen Karriere.
Gerade trumpfte er mit seiner Schlagfertigkeit auf – als es plötzlich schwarz wurde auf der Mattscheibe: totaler Bild- und Tonausfall! «Das war vielleicht symbolisch, wer weiss», rätselte tags darauf der Medienkritiker des Berner Bund, «aber dass die Panne bereits nach wenigen Sekunden behoben war und die Sendung munter weiterlaufen konnte, das war typisch für Schawinski, das unermüdliche Stehaufmännchen in der helvetischen Medienlandschaft.»
Was allerdings niemand erfuhr: In Wirklichkeit hatte ein Nachbar aus der Wohnsiedlung in Oberwil mitten in der Sendung das Stromkabel herausgerissen. Schawinski war noch tagelang erschüttert über den Vandalenakt. «Was habe ich ihm angetan?» fragte er sich immer wieder. Und schliesslich kam er zur Einsicht: «Ich habe mich nicht mit ihm auseinandergesetzt.»
Erstmals musste er feststellen, wie heikel es ist, sein Leben in der Öffentlichkeit zu führen. «Auf einmal bist du anders als die anderen», sagt er, «und wenn du den Forderungen der Leute nicht gerecht wirst, dann ziehen sie dir einfach den Stecker heraus.»
Abgesehen vom Aussetzer lief der 38jährige auf Hochtouren. Ohne falsche Bescheidenheit feierte er sich und sein Radio; so berichtete er unter anderem in der Märzausgabe des Penthouse-Magazins über seinen Männertraum: «Das einzige erfolgreiche private Radiogrossprojekt in den Alpen.» Auf zwei Seiten war nachzulesen, wie er auf jenem «3000er Alpensitz, hart an der Schweizer Grenze» die grösste Antenne Europas hingestellt habe, «die ich mittels eines schenkeldicken Kaoxialkabels mit dem stärksten UKW-Sender unserer Breitengrade verband». Zuerst habe man ihn verhöhnt, seine Radiowellen würden bereits an den Glarner Alpen zerschellen.
Doch dann sei alles anders gekommen. «So etwas hat die Schweiz noch nie erlebt», so Schawinski, «die ernsten Kommentatoren der grössten Blätter des Landes spreizten verwirrt ihre Federn: Was war mit den zurückhaltenden, besonnenen Schweizern geschehen? fragten sie spaltenweise.» Der Staatsfunk, von ihm aus dem 50jährigen Monopolschlaf katapultiert, habe innert kürzester Zeit ein 24-Stunden-Programm aus dem Boden gestampft. Im ersten Programm habe man die dicke Staubschicht von den Plattentellern gepustet und kurz darauf ein drittes Programm für die Jungen vorbereitet.
Der Umzug von Radio 24 von Como nach Zürich stand nun kurz bevor, und überall in der Stadt verkündeten Radio-24-Plakate mit dem Slogan «staatl. konz.» den Triumph des geschäftstüchtigen Revoluzzers gegen die schweizerische Beamtenmentalität.
Sogar die Sendeanlagen auf dem Pizzo Groppera konnte Schawinski noch rechtzeitig verkaufen: und zwar für über eine Million Franken an den erfolgreichen Schweizer Jungverleger Jürg Marquard (Pop/Rocky, Cosmopolitan), einen alten Schulfreund aus der Handelsschule. Um so besser war seine Laune beim Abschied aus Italien am 30. September 1983.
«Es isch unheimlich de Plausch gsi!» säuselte er zwei Minuten vor Mitternacht, und ein letztes Mal legte er Polo Hofers Radio-24-Hymne auf. Doch just in dem Moment, als Marquard übernehmen und mit der Eröffnungsfeier für sein Sound Radio starten wollte, lief überhaupt nichts mehr.
«Wenn das keine Sabotage ist», ereiferte sie sich die eingeflogene Starmoderatorin Désirée Nosbusch, «wenn der Radiokrieg so anfängt, nehmen wir unsere Kopfhörer und gehen in den Bunker.»
Bald verlor auch der sonst bedächtige Marquard seine Contenance. «Der Sender ist jahrelang gelaufen», fluchte er, «es ist wirklich schwer, an einen Zufall zu glauben.»
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