DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
Die ganze Nacht lagen sie sich in den Haaren, und beinahe hätten sie den Kaufvertrag zerrissen. Erst am nächsten Morgen konnte ein Techniker die Störung beheben, verursacht durch einen Wackelkontakt wegen Überhitzung des Studios durch Fernsehscheinwerfer und die vielen Partygäste.
Noch heute ärgert sich Schawinski über das chaotische Ende in Como: «Eigentlich wollte ich hocherhobenen Hauptes abziehen.»
Die Rückkehr in ein geordnetes Leben fiel ihm schwer nach den wilden Jahren, und er ahnte, dass er nicht zum Familienvater taugte, der jeden Mittag pünktlich zum Essen kommt und am Wochenende den Rasen mäht. Trotzdem ignorierte er sämtliche Warnsignale, als Ina vom eigenen Häuschen zum perfekten Glück schwärmte. «Als ich den Grundstückvertrag unterschrieb, ist das Unheil über unsere Familie hereingebrochen», sagt Schawinski heute.
Immer vehementer habe Ina von ihm – der doch beruflich noch längst nicht am Ziel seiner Vorstellungen angelangt war – verlangt, weniger zu arbeiten und sich mehr um die Familie zu kümmern. Als sie schliesslich damit begonnen habe, die Kinder seinem Einfluss zu entziehen, habe er sich «langsam wie ein Fremder im eigenen Haus» gefühlt. Erst recht unerträglich sei alles geworden, nachdem er die Affäre mit einer Moderatorin von Radio 24 zugegeben habe.
«Das war mein grösster Fehler», glaubt er heute. «Obschon die Geschichte längst ausgestanden war, hat sie mir nie verziehen.»
Eines Tages, nach vielen gescheiterten Versöhnungsversuchen, habe er es daheim nicht mehr ausgehalten und sei in eine Stadtwohnung am Stadelhoferplatz gezogen. «Ich wollte mir einfach nicht mein restliches Leben lang immer und immer vorwerfen lassen, was ich alles falsch gemacht habe.» Nie werde er vergessen, wie er zum ersten Mal für sich alleine bei Marinello einkaufen ging. «Ich hatte den Eindruck, alle starren mich an und denken, der arme Kerl, der hat keine Familie und muss alles selber machen!»
Vor dem Scheidungsrichter habe er in erster Linie für seine Besuchsrechte gekämpft. Das Haus habe er Ina ohne Gegenwehr überlassen, damit Kevin und Joelle in ihrer gewohnten Umgebung weiterleben konnten. Doch zwei Monate später vernahm er durch einen Zufall, dass Ina das Haus verkaufe. Seine Ex-Frau habe die beiden Kinder bereits von der Schule abgemeldet und reise demnächst ab, teilte man ihm auf der Gemeindeverwaltung mit.
Kurz darauf traf er sie beim Packen an. «Tu’s nicht!» habe er sie angefleht. – Umsonst.
Seit zehn Jahren nimmt Roger Schawinski an ungezählten Wochenenden die Strecke von Zürich nach Baden-Baden unter die Räder, um sich wenigstens für ein paar Stunden in einem Restaurant oder Hotelzimmer mit seinen beiden Kindern zu treffen. Soeben hat er Joelle, als Überraschung zum 16. Geburtstag, eine Reise nach Paris offeriert.
«Sie will den Louvre sehen», schwärmt der Vater voller Vorfreude. Und übernachten wolle sie unbedingt im Ritz, «weil sich Diana und Dodi dort begegnet sind!»
Statt auf den Pizzo Groppera trampt Gabriella Sontheim (Schawinskis heutige Ehefrau) nach Poona
Der graubärtige Inder und seine Botschafterin der Glückseligkeit
Etwas lag in der Luft, anno 1979: Die beiden Zürcher Politiker Christoph Blocher (SVP) und Moritz Leuenberger (SP) schafften den Sprung in den Nationalrat, und die Spraydose war – ein Jahr vor Eskalation der Jugendkrawalle – das letzte Ventil für einige Unzufriedene, die mit Parolen wie «Nieder mit dem Packeis» und «Freie Sicht aufs Mittelmeer» die Hauswände besprühten. Derweil landete in Zürich-Kloten in einem Flugzeug aus der Karibik der 34jährige Journalist Roger Schawinski – mit der Intention, auf dem Pizzo Groppera eine eigene Radiostation zu eröffnen. Und ebenfalls in Zürich packte gerade die 21jährige Gabriella Sontheim, die soeben am Oberseminar abgeschlossen hatte, ihren Rucksack und trampte auf schnellstem Weg nach Poona zu einem älteren Herrn namens Bhagwan Shree Rajneesh.
Wie viele «Bhagis» stammt Gabriella aus wohlbehütetem, autoritärem Elternhaus. «Jeden Mittag lief das Echo der Zeit auf Radio DRS 1, und alle Kinder mussten mucksmäuschenstill sein», sagt sie auf dem hellroten Sofa und zieht an ihrer dünnen Zigarette aus indischem Beedie-Tabak. Mit eisernen Prinzipien habe ihr Vater – Generaldirektor der BBC Brown Boveri in Baden, Oberst in der Armee und Verwaltungsrat bei der Schweizerischen Kreditanstalt – für die Familie gesorgt. Doch obschon jedes Kind
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