Reitertruppe in unserer Armee innert kürzester Zeit über 430’000 Unterschriften für eine
gesammelt.» Doch der letzte «Reiterkampf» sei umsonst gewesen, «die Truppe wurde umgerüstet.»
Doch anders als die berittenen Soldateska verkörperten die Wellenreiter ein zeitgemässes Lebensgefühl. Tausende reisten am 29. Dezember zur Übergabe der Unterschriften mit Sonderzügen nach Bern oder waren inmitten eines Meeres von weissen Fähnchen – als Zeichen der Solidarität an den Antennen befestigt – auf der Autobahn N1 unterwegs. Der Bundesplatz war eine riesige Tanzfläche, und aus den Lautsprechern dröhnte Polo Hofers eigens komponierter Radio-24-Reggae. Die Menge kreischte, als Schawinski auf die Laderampe des Lastwagens kletterte. «So etwas hat es in der Schweiz noch nie gegeben», rief er völlig ausser sich, «so viele aufgestellte Leute!» Den Kampf um sein Radio bezeichnete er als «etwas Urdemokratisches». «Wir lassen uns von der Regierung nicht vorschreiben, was wir hören wollen!»
Die Mobilisierung seiner Fans hielt Schawinski selbst für ein heikles Unterfangen; anfänglich habe er eine Verurteilung als «Rädelsführer» und «Volksverhetzer» befürchtet, falls die Massen ausser Kontrolle gerieten. Doch eine Alternative gab es nicht. «Ich kam mir vor wie einer, der unter der Dusche zu singen beginnt – und plötzlich ist er Mick Jagger!»
Auch die Kommentatoren rieben sich die Augen. «Roger Schawinski zeigt einmal mehr seine demagogischen Talente», wetterte die Weltwoche. Der Tages Anzeiger registrierte eine «mild-heitere Massenhysterie», «angemacht vom Rattenfänger Roger von Como auf MHZ 101,6». Mit Wortschöpfungen wie «Schlauwinski» (Aargauer Tagblatt), «Wellen-Messias» (Bündner Zeitung) oder «Informationscasanova» (Solothurner Zeitung) versuchten die Zeitungen dem Unerklärlichen beizukommen. Wahrlich dunkle Wolken sah das Thurgauer Tagblatt aufziehen: «Drum Landvogt bleibe hart und banne die Gefahr, welche aus dem Äther kommt.»
Kein Landvogt kreuzte am 4. Januar 1980 vor dem Radiostudio auf: Es waren Carabinieri. Tags darauf berichtete die sonst so zurückhaltende Neue Zürcher Zeitung aussergewöhnlich bildhaft über die Geschehnisse: «Die letzte Stunde hielten die Radio-24-Macher im Stil einer Kriegsreportage ab. Dann wieder Musik. Musik. (…) Um 12 Uhr 06 ziehen die Beamten wieder ab. Der Sender vermittelt die Rede, die Schawinski vor dem Gebäude an die wartenden Anhänger gehalten hat: Und weiter fährt der Sender mit seiner Popmusik, zwischendurch werden einzelne hergereiste Anhänger befragt, wie sie, die doch hätten, dächten, wie es nun weiterginge…»
Am 22. Januar, ab 14 Uhr 53, war nur noch ein Rauschen zu hören auf 101,6 Megahertz: Die Carabinieri hatten in einer Blitzaktion die Stromleitungen gekappt. Drei Tage später entschied Schawinski, den amtlich versiegelten Sender widerrechtlich wieder in Betrieb zu nehmen und zu einer Protestkundgebung in Zürich aufzurufen. Über 5000 Fans strömten am 26. Januar auf den Bürkliplatz und skandierten minutenlang «Roschee, Roschee, Roschee!»
So viel hemmungsloser Starkult stiess dem Korrespondenten der Bündner Zeitung sauer auf: «Etwas Pionier mag Herr Doktor Schawinski schon sein, doch vorwiegend in eigener Sache», frotzelte er. «Schawinski hörte das Werbegeld in seiner Kasse klimpern, und so liess er sich widerlicherweise von einigen Hundertschaften begeisterungsfähiger Fünfzehnjähriger unter -Rufen auf öffentlichen Plätzen zum Heiligen und Pop-Super-Papst emporhieven.»
Eine weitere Gelegenheit zum Auftrumpfen bot sich anfangs November. Die Crew war gerade beim Spaghettiessen, als die heisse News hereinkam: Terroristen hatten die amerikanische Botschaft in Teheran gestürmt und forderten für die Freilassung ihrer siebzig Geiseln die Auslieferung des iranischen Ex-Schahs Mohammed Resa Pahlewi.
«Wir rufen doch einfach an und interviewen einen Besetzer», bemerkte Schawinski mit vollem Mund. Während die anderen noch