DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
doch irgendwie schaffte er es der vorlaute Grünschnabel, sie zu besänftigen und für die Mitternachtsshow am 18. Mai in St. Gallen zu verpflichten.
In seiner Euphorie bezeichnete Schawinski den Hochschulball als «die grösste, schönste, maximalste, interessanteste, bombastischste, kolossalste, sensationellste rauschendste Ballnacht», die St. Gallen je erlebt habe. Sein Coup von Paris war tagelang Hauptgespräch auf dem Campus, und es kursierte das Gerücht, Hardy habe mehr gekostet als das Mensa-Mittagessen für 32 Jahre. Über die Hauptattraktion schwärmte Schawinski in der Pressemappe: «Sie hat eine Mannequinfigur, Starallüren, lange Haare, graue Augen, je nachdem traurig oder lächelnd, einen sinnlichen Mund mit sinnlichen Zügen.» Sie sei gleichzeitig «überheblicher Star und ein richtiges, geheimnisvolles und sensibles Mädchen.»
Um die Aufmerksamkeit ins Unermessliche zu steigern, verarbeitete er seine Notizen zu zwei Zeitungsartikeln. «Francoise trägt ein orangefarbenes Minikleid, das kürzeste, das ich je gesehen habe», verriet er in der Schweizer Illustrierten, «darunter trägt sie schwarze Strümpfe, die ihre langen Beine vorzüglich zur Geltung bringen.» Im Tages-Anzeiger wies er darauf hin, dass «ein Hauch von Traurigkeit» ihre Persönlichkeit umgebe. «Doch wie brutal ist die Einsicht, dass durch ihre Traurigkeit, ihren Schmerz einige der schönsten Chansons entstanden sind, die wir kennen.»
Als Ballmotto wählte er – trendbewusst wie immer – den Begriff «Flower Power». Rektor Francesco Kneschaurek war entzückt: Das gefalle ihm viel besser als die «bei weitem nicht so zündenden» Leitmotive der letzten Jahre wie etwa «Countdown» oder «Vive la différence». Aber nicht etwa wegen der hippiehaften Assoziationen, wie er im Vorwort der Ballzeitung betonte, denn «schliesslich haben die Blumen ihre Zaubermacht schon ausgeübt, lange bevor einige langhaarige, ungewaschene und von aussen geschlechtlich kaum mehr auseinanderzuhaltende Nichtstuer sie zum Sinnbild ihrer Philosophie erhoben haben.»
Alles schien geritzt. Doch ausgerechnet kurz vor Beginn des Hochschulballs brachen in Frankreich die 68er-Maiunruhen aus. Tausende Studenten strömten auf die Strassen von Paris und legten alles lahm. Die Welt befürchtete, in der Grande Nation breche demnächst die Revolution aus und Staatspräsident Charles De Gaulle werde mitsamt dem bürgerlichen Establishment gestürzt.
«Wir können unmöglich nach St. Gallen reisen», jammerte Francoise Hardys Agent am Telefon, es fahre kein einziger Zug und im Flughafen Orly streike das Bodenpersonal. Doch Schawinski beharrte auf der Einhaltung des Vertrages und drohte mit Schadenersatzforderungen. Revolution hin oder her – die Vorstellung, zum Gespött seiner Kollegen zu werden, war für Schawinski schlichtweg unerträglich.
Seine Kompromisslosigkeit zeigte Wirkung: Zwei Stunden vor der Show entstieg Francoise Hardy dem silbergrauen Rolls-Royce ihre Managers, und nach dem Nachtessen im Restaurant Hecht (Kartoffeln, Blattspinat und Mineralwasser) begeisterte sie im glitzernden Aluminiumkleid das St. Galler Publikum.
Nach dem letzten Chanson liess es sich Schawinski nicht nehmen, seiner Eroberung vor aller Augen auf der Bühne einen Blumenstrauss zu überreichen und sie – endlich! – auf die Wange zu küssen.
«Il n’y a pas de Business comme le Show-Business!» freute er sich.
Fast schon legendär ist die innige Feindschaft zwischen Peter Schellenberg und Roger Schawinski
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Monday, bloody monday: Schawinski wirkt zerknirscht, die sonntägliche Zeitungslektüre hat ihm wieder einmal das Wochenende vermasselt. Schuld ist DRS-Fernsehdirektor Peter Schellenberg. «Ich würde nie feiern, wenn ich für Geld den Herrn Meili in die Hütte holen würde und dieser nur alten Kaffee erzählt», posaunte er in einem Interview – in Anspielung auf Schawinskis Talktäglich mit Ex-Wachmann Christoph Meili, dem nach New York emigrierten Aktenretter und Auslöser des Skandals um jüdische Vermögen auf Schweizer Banken.
Schon ein paar Tage zuvor hatte sich Schawinski genervt. Er schäme sich, wenn er das Programm von Tele 24 verfolge, hatte Schellenberg an seiner Jahresmedienkonferenz vor Journalisten verkündet. Die Zürcher Szene sei ein «Medienseldwyla» und bedeute, «dass die Nabelschau zum Massstab gemacht wird und das Schmoren im eigenen Saft zum beherrschenden Thema».
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