DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
können Roger Schawinski seine Verdienste nicht streitig machen», würdigte der Blick, und die Sonntagszeitung charakterisierte die vier SRG-Konkurrenten als «eher etwas schmalbrüstige Anwärter». Keiner ausser ihm könne so viel Fernseherfahrung vorweisen und habe gleichzeitig ein erfolgreiches Medienunternehmen aufgebaut.
Betont locker kreuzte Schawinski bei der Präsentation vor Fernsehmitarbeitern in einem kurzärmligen Hawaii-Hemd auf; «direkt wie vom Strand», wie sich ein Augenzeuge erinnert. Tatsächlich war der Eindringling im Leutschenbach der einzige Farbtupfer.
Gefragt, was er als Fernsehdirektor anders machen würde, antwortete er: «Alle Bundesräte würde ich als erstes knallhart interviewen, damit sich endlich auch die anderen trauen, kritische Fragen zu stellen.» Einige applaudierten, andere schüttelten den Kopf. Schawinski kam in Fahrt und fügte hinzu: «Auf mein Salär würde ich übrigens verzichten, denn ich habe schon genug verdient und stelle es für wohltätige Zwecke zur Verfügung.»
Am Tag der Entscheidung brodelte es in ihm: «Was mache ich, wenn sie mich wählen? Will ich wirklich Teil dieses bürokratischen Molochs werden?»
Doch es kam, wie es kommen musste: Der brave Peter Schellenberg, als SP-Mitglied von der Gewerkschaft portiert, machte das Rennen vor Roy Oppenheim. Roger Schawinski bekam eine einzige Stimme. Bis heute ist er überzeugt, dass sie von der einzigen Frau im Wahlgremium stammte. Und zwar deshalb, weil er so einfühlsam auf die Frage, was er denn als Fernsehdirektor mit seinem Radio 24 zu tun gedenke, geantwortet habe: «Es fällt mir natürlich nicht leicht, mein Kind wegzugeben, aber ich würde es zur Pflege in gute Hände legen.»
Nach seinem Triumph lud «Schälli» den unterlegenen «Schawi» zum Mittagessen ein. Er bedankte sich, ihn seinerzeit ins Spiel gebracht zu haben und erzählte von seinen Plänen: Das viel zu teure Karussell am Vorabend wolle er abschaffen, dafür eine unterhaltsames Informationsmagazin einführen (das spätere 10 vor 10). Bei dieser Gelegenheit bot ihm Schawinski seine Mitarbeit an, und so kam es, dass er für Schellenberg dreissig Folgen der Quizsendung Persona produzieren durfte.
In diesem Quiz, während der Sommerpause ausgestrahlt und moderiert von Katja Stauber, ging es darum, die persönliche Vorlieben von Schweizer Prominenten wie Mäni Weber, Fredy Lienhard oder Voli Geiler zu erraten – etwa das Lieblingsessen oder das bevorzugte Reiseziel. Auf Kritik am eher mässigen Niveau seiner Schöpfung antwortete der sonst so schonungslose Kritiker, Unterhaltung sei halt «schaurig schwierig» zu machen – aber wenigstens seien die Einschaltquoten anständig.
Ans Aufgeben dachte Schawinski noch lange nicht. Schliesslich war er über die Stella-Filmgesellschaft an einem privaten Fernsehstudio beteiligt, das mit Aufträgen ausgelastet werden musste. «So, was kommt als Nächstes?» fragte er also hoffnungsfroh den TV-Chef. Doch Schellenberg winkte ab, er wolle jetzt andere Anbieter berücksichtigen.
«Peter, du hast ein Imageproblem», insistierte Schawinski ein paar Tage später. Um glaubwürdiger zu wirken, lasse er sich am besten einmal im Monat von einem gnadenlosen Interviewer in die Zange nehmen. Am besten gleich von ihm, denn er habe Lust auf Fernsehen.
«Also gut, dann mach ein Konzept!» Das war das letzte, was Schawinski von Schellenberg persönlich hörte.
Seit fast zehn Jahren nehmen die beiden weite Umwege in Kauf, um sich nicht in die Quere zu kommen. Und: Je abweisender Schellenberg, desto leidenschaftlicher ging Schawinski auf das Fernsehen los und profilierte sich als scharfzüngiges SRG-Lästermaul. «Das sind doch fast schon sozialistisch-sowjetische Zustände, wenn ein einziger Sender und eine einzige Person über das Fernsehen in der Schweiz bestimmen dürfen», schimpfte er. Ein anderes Mal nannte er Schellenberg einen «Teflon-TV-Direktor», dessen grösste Leistung es sei, dass ihm seine Flops nie persönlich angelastet würden.
Kurz darauf, im Oktober 1990, erschien Schellenberg auf dem Titelbild von Schawinskis Bonus – karikiert als Hausabwart mit fettigen Strähnen, wulstigen Lippen und einem Schraubenzieher in der Nasenhöhle. «Stellen Sie sich vor, Sie gehen einen der unendlich vielen Korridore des Fernseh-Studios Leutschenbach entlang», beginnt der Text von Domenico Blass. «Jemand kommt Ihnen entgegen. Ein Mann wie geschaffen für diese Gänge: Blaues Beamtenhemd, stiere Flanellhosen,
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