DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
Transparent auf ihre Rückkehr, auf dem in grossen Buchstaben stand: «Armer Student fordert Gleichberechtigung.»
Rasch ging das Jahr an der Universität Central Michigan dem Ende zu; und Priscillas grösste Sorge war die Schlussarbeit: Sie musste über das Verhalten einer weissen Versuchsratte berichten. Doch sie hatte es wochenlang nie übers Herz gebracht, ihr das Essen vorzuenthalten, wenn sie ungehorsam war.
«Kein Problem», beruhigte sie Roger am Abend vor der Prüfung souverän. Aus Fachbüchern stellte sie bis am nächsten Morgen ein beeindruckendes Psychogramm des verwöhnten Nagers zusammen – und prompt wurde Priscilla mit der besten Note der ganzen Klasse ausgezeichnet.
«Warum liebe ich dich bloss mehr als du mich?» schluchzte Priscilla bei der Trennung auf dem Kennedy-Flughafen in New York. «Wir werden uns bestimmt nie mehr wiedersehen!» Roger stand hilflos da und wusste nicht, wie er auf ihren heftigen Gefühlsausbruch reagieren sollte.
Eine alte Frau, ebenfalls auf dem Weg nach San Juan, nahm Priscilla in die Arme und sagte zu Roger, er solle sich nur keine Sorgen machen, sie passe gut auf sein Mädchen auf.
Priscilla schickte täglich einen Liebesbrief nach Zürich. Doch nicht alle kamen bis zu Roger, denn seine Mutter Marcelle favorisierte Rachel und liess hin und wieder einen der parfümierten Umschläge im Abfallkübel verschwinden. Doch plötzlich kam in Hato Rey ein Telegramm an: «ICH BIN UNTERWEGS – STOP – IN LIEBE – STOP – DEIN ROGER.» Jeden Moment musste er ankommen! Zusammen mit ihrer Mutter wählte Priscilla ihr schönstes Kleid und putzte sich heraus. Und schon stand das Taxi vor dem Haus.
Am nächsten Abend hielt Roger (in der Zwischenzeit hatte er leidlich Spanisch gelernt) eine Ansprache im Familienkreis. Er wolle Priscilla heiraten, er liebe sie über alles und werde gut für sie sorgen. Schon morgen wolle er mit ihr in der Stadt einen Verlobungsring aussuchen, den er natürlich selbst bezahlen werde.
Priscillas Eltern waren beeindruckt von diesem Gentleman. Am nächsten Tag telefonierte die Mutter dem Juwelier: Gleich werde ein junger Schweizer mit 60 Dollar sein Geschäft betreten; er solle ihm jeden Wunsch erfüllen – die Differenz werde sie später begleichen.
Sie schwebten im siebten Himmel – doch Priscilla merkte, dass ihm etwas auf dem Herzen lag. Er wolle unbedingt, dass sie zum jüdischen Glauben übertrete, gestand er schliesslich, denn in seiner Familie dürfe diese Tradition keinesfalls verloren gehen. Priscilla hatte nichts dagegen, und so gingen sie zum nächsten Rabbiner, bei dem sie in den nächsten Wochen mit grossem Eifer jüdische Geschichte und die dazugehörigen Bräuche büffelte. Höhepunkt war das Ritual am Strand von San Juan: Dreimal wurde sie ins Wasser getaucht und anschliessend auf den jüdischen Namen Ruth getauft. «Sogar ein neues Badekleid habe ich extra gekauft», erzählt Priscilla, die sich ihre Konvertierung etwas ergreifender vorgestellt hatte.
Am 20. August 1970 heirateten sie in der kleinen Synagoge von San Juan. Die Avocado-, Guava- und Zitronenbäume im Garten der Familie Colon waren bunt geschmückt, und beim anschliessenden Fest wurde die riesige Hochzeitstorte angeschnitten und getanzt bis spät in die Nacht – Rogers Vater Abri, der etwas zuviel aus der Bowle mit den Früchtsäften und dem Rum geschöpft hatte, verblüffte alle mit seinem waghalsigen Kosakentanz.
Nach dem Honeymoon kreuz und quer durch Zentralamerika flog das Paar in die Schweiz, wo Rogers Eltern ein Begrüssungsfest für Priscilla organisieren wollten. Doch Roger bestand darauf, sich mit dem Geld eine neue Schreibmaschine zu kaufen.
Zwei Sachen fielen Priscilla ihr sofort auf: 1.) Mit Liebe zum Detail trennten die Schweizer ihre Abfälle, und 2.), ihr Radioprogramm war unglaublich langweilig. «In Puerto Rico ist es vielleicht nicht ganz so sauber», spottete sie, «dafür läuft rund um die Uhr mitreissende Musik!»
«Stimmt eigentlich», raunte Roger, ohne näher darauf einzugehen.
Mit Roger konnte sie über alles reden, doch ausserhalb der eigenen vier Wände fühlte sich Priscilla nicht richtig ernstgenommen. «Auf der Strasse wurde ich hemmungslos angestarrt», sagt sie, «viele hielten mich für ein Gogo-Girl aus der Karibik.»
Als ihre Mutter zum ersten Mal nach Zürich kam, meckerte sie: «Wieso benimmst du dich eigentlich so eingebildet? Siehst du nicht, wie Dir alle Männer freundlich zulächeln?»
Damit sie unter die Leute
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