DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
legendären Radio-24-Schliessungen. «Roger wollte unbedingt das Volk auf seine Seite bringen», erinnert sich Hugo Bigi, «aber Klassikliebhaber steigen eben nicht wie Teenager auf die Barrikaden.»
Zum Schluss ging die «Abschiedssinfonie» von Franz Joseph Haydn über den Äther – und punkt 12 Uhr regelte Hugo Bigi schweren Herzens den Regler ab. Nach Mitternacht herrschten Totenstille und grenzenlose Enttäuschung. Nichts sei schwieriger, als Schawinski umzustimmen, wenn er innerlich längst aufgegeben hat, meint Bigi. «Dann gehen die Lichter meist sehr schnell aus!»
Und wieder war Bigi auf dem Absprung: Eine Stelle bei der Sonntagszeitung schien sicher, doch dem Angebot als neuer Bonus-Chef konnte er nicht widerstehen. Kurz zuvor hatte Schawinskis rotzfreches Stadtmagazin für einen Skandal gesorgt: Weil sich Tages-Anzeiger-Chefredaktor Roger de Weck und sein Verleger Hans Heinrich Coninx weigerten, ihrer Zeitung das Heft mit dem Beitrag «Big is beautiful: Die Frau und ihr Wunsch-Penis» von Marianne Weissberg beizulegen, erschien es aus Protest mit sieben weissen Seiten. «Der Bonus-Artikel hat ein Niveau, das nicht einmal vom Tiefseeforscher Jacques Piccard mit seinem Spezial-Unterseeboot unterschritten worden ist», mäkelten die Verhinderer in einem Kommentar – und lieferten gleich eine Kostprobe mit: «Welcher Heimwerker würde nicht verächtlich lächeln, wenn seine Gattin in ein grosses Bohrloch einen zu kleinen Dübel schrauben würde?»
Durch das Potenzgehabe seiner Vorgesetzten liess sich Bigi nicht beirren. Kurzum porträtierte er seinen streitbaren Chef und Radio-Talkmaster im Bonus-Artikel «Wem die Stunde schlägt».
«Hand aufs Herz», schrieb er im Juni 1994, «als Hörerin und Hörer haben Sie sich doch jedesmal köstlich amüsiert, wenn Roger einen der Mächtigen, einen der ganz Grossen nach Strich und Faden kleingemacht hat.» Trotzdem seien bei seinen Recherchen nur wenige der «Doppelpunkt-Überlebenden» schlecht oder gar nicht auf ihr «Schawinski-Trauma» zu sprechen gewesen. «Claro. Wer will schon im nachhinein zugeben, dass er im Wortgefecht mit dem Winkelried der Yuppie-Generation sein persönliches Sempach erlitt?»
Schawinski liess Bigi gewähren. Nicht einmal die Behauptung, dass er den Doppelpunkt geschickt als «schlagkräftige Scud-Rakete für seine eigenen Ansichten» benutze, stritt er ab: «Klar, meine Meinung zu verbreiten, ist für mich das Salz in der Suppe.»
Weiter hielt Bigi fest, was aufgebrachte Gäste dem «Radioraufbold» entgegenschleuderten, so etwa Luigi Colani («Lach nicht so dreckig, mein lieber Schawinski»), Rosa von Praunheim («Wie hast Du es mit Analverkehr, Roschee?») oder Alice Schwarzer («Sie sind ein selbstgefälliger, pseudofortschrittlicher, gutaussehender Mann, braungebrannt, die Locken frisch gewaschen, den richtig gerne vom Stuhl putzt!»).
Als Schawinski Ende 1994 den Bonus zu 100 Prozent an den Tages Anzeiger abstiess (wo er im September 1996 das Zeitliche segnete), hielt er für Hugo Bigi bereits das nächste Zückerchen parat: Tele Züri. Als News-Moderator wurde er rasch zum Aushängeschild, und im Talktäglich kommt er als moderate Alternative zum Einsatz – unter anderem für Gäste, die sich Schawinskis Verhörstil verweigern.
«Ich habe nie versucht, Roger zu kopieren», meint Bigi. Er könne gut damit leben, «dass Schawinski in seinem Revier der Platzhirsch sein will».
Ein Geplänkel bahnte sich an, als sich Bigi im Frühling 1995 in die 22jährige Videojournalistin Eva Wannenmacher verliebte, die er zur Moderatorin ausgebildet hatte. Als das hoffnungsvolle Talent im März 1996 bei Tele Züri kündete, habe sich Schawinski benommen, so Bigi, «wie ein gehörnter Liebhaber». Schwer beleidigt sei er an einem Fest, zum Befremden der Umstehenden, grusslos an ihr vorbeigegangen. «Warum hast du sie nicht zurückgehalten», habe er Bigi vorgeworfen, «Du hättest es verhindern müssen!»
Das ging sogar seinem treusten Gefährten eine Spur zu weit, obschon er aus Erfahrung weiss: «Roger empfindet jeden Abgang als Verrat», und es sei «schwierig bis unmöglich», im Guten von ihm wegzugehen.
Mit grösstmöglicher Gelassenheit toleriert Bigi – unterdessen mit Eva verheiratet und Vater des dreijährigen Fabio – die Extravaganzen seines Chefs. So verwunderte es ihn kaum, als dieser kürzlich am späten Nachmittag mit seinem Mobiltelefon ins Studio anrief: Er sei jetzt auf dem Weg nach Zürich, um im Anschluss
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