DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
komme und Schweizerdeutsch lerne, schlug Roger vor, sie solle doch als Verkäuferin bei Jelmoli anfangen. Sie befolgte seinen Rat, doch nach ein paar demütigenden Wochen in der Taschentuch-Abteilung fragte sie sich, ob sie dafür wirklich vier Jahre Soziologie studiert habe. Auf eigene Faust organisierte sie sich eine Stelle in der Wertschriftenabteilung der Schweizerischen Kreditanstalt, wo man ihre Englischkenntnisse zu schätzen wusste. Doch Roger – er hatte soeben beim Schweizer Fernsehen Fuss gefasst – passte das überhaupt nicht. Warum sie ausgerechnet bei den Bonzen in der Hochburg des Kapitalismus anheuern müsse, reklamierte er. Bei seinen Kollegen komme das überhaupt nicht gut an.
Nichts sei Roger wichtiger gewesen als seine Karriere. Sie weiss noch, wie er einmal nachts um zwei Uhr aus dem Bett sprang, weil ihm die passende Melodie für seinen Filmbericht über den Tomatenüberschuss im Wallis in den Sinn gekommen war.
Sie wohnten in einem Mehrfamilienhaus in Glattbrugg, und abends kamen Rogers Komplizen aus der Medienszene zu Besuch. «Die waren alle so furchtbar intellektuell», beschreibt sie. «Ich servierte das Essen, und sie stritten den ganz Abend über irgend eine Krise auf der Welt.» Sie aber sass meist nur da und verstand nicht viel.
Als Priscilla einmal ihre chilenischen Freunde einlud, wollte er alles wissen über die politische und wirtschaftliche Situation in ihrer Heimat. «Hör auf, meine Freunde zu interviewen», beklagte sie sich anschliessend, «wir wollen doch nur zusammensein, lachen und vielleicht sogar tanzen.»
Priscilla arbeitete unterdessen für die British Airways am Flughafen, und ihr Traum war eine nette Wohnung im Grünen. «Wir arbeiten hart und verdienen gut, warum sollen wir uns nicht bequem einrichten?» meinte sie.
Nur widerwillig zog er mit ihr ins ländliche Winkel bei Bülach. «Niemand wird uns hier besuchen», befürchtete Roger, der zu dieser Zeit den Kassensturz konzipierte. «Konsumterror» und «Wegwerfgesellschaft» hiessen seine Lieblingswörter, und ein luxuriöserer Lebensstil war ihm ein Greuel. Standhaft weigerte er sich etwa, als sich Priscilla einen Geschirrspüler anschaffen wollte, um abends nicht mehr so lange in der Küche stehen zu müssen.
Offensichtlich war Roger Schawinski auf dem richtigen Weg, denn sein beruflicher Aufstieg war nicht zu bremsen. Priscilla hingegen kam sich an seiner Seite immer überflüssiger vor. «An Partys stellte er mich einfach in eine Ecke und ging unter den Gästen herum.»
So lange wie möglich liess sie sich nichts anmerken und befolgte den Rat ihrer Mutter: «Bauch rein, Brust raus und immer schön lächeln!»
«Ich bin hier als Frau Schawinski», redete sie sich ein, «und als solche habe ich mich auch zu benehmen.»
Sie forderte ihn auf, mehr mit ihr zu unternehmen. Doch wo immer sie auftauchten, kam jemand und fragte: «Sind sie nicht der Herr Schawinski aus dem Fernsehen?»
Als sie an einem Empfang im Hotel Baur au Lac in ihrem neuen schwarzen Kleid viele Komplimente einheimste, warf er ihr anschliessend vor, warum sie sich so in Szene setzen müsse.
«Entschuldigung, dass ich lebe», entgegnete sie nur.
Eines Tages schnitt sie aus Protest ihre hüftlangen schwarzen Haare ganz kurz. «Ich bin auch ein Mensch, nicht nur ein Schmuckstück», habe sie damit ausdrücken wollen.
«Neben Roger kannst du nur erblassen», wurde ihr auf einmal klar, «wenn ich mich jetzt nicht von ihm trenne, bleibe ich für immer sein Schatten.»
Vor dem Scheidungsrichter, im Oktober 1977, heulte sie genau wie damals in New York am Flughafen. Zum Abschied schenkte sie ihm einen Weltempfänger (und er ihr eine Topfpalme) und sagte: «Ab heute wirst Du nie mehr wissen, ob Dich eine Frau wirklich Deinetwegen liebt – oder nur deshalb, weil Du reich und prominent bist.»
Oft habe sie sich selbst die Schuld am Scheitern der Beziehung vorgeworfen. «Schliesslich war ich es, die sich veränderte. Er ist immer genau der gleiche geblieben.»
Über Nacht wird Roger Schawinski als «Mister Kassensturz» zur nationalen Berühmtheit
Die seltsamen Schlingpflanzen des frischgeschlüpften Paradiesvogels
Auf einer weltberühmten Fotografie ist der junge Bill Clinton zu sehen, wie er dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy die Hand schüttelt. In diesem Moment habe er sich für die Politik entschieden, behauptete er später immer wieder.
Ein ähnlich schicksalhaftes Bild erschien im August 1969 in der Michigan Daily.
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