DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
in ein Altersheim mit dem Standard eines Viersternhotels. Doch Abri verhielt sich zunehmend kauzig: Statt sich endlich beim Schneider den ersehnten Massanzug zu leisten, kaufte er sich spottbillige Hemden im Second-Hand-Shop. Und statt noch einmal richtig aufzublühen, gab er mit siebzig das über alles geliebte Autofahren auf.
Als er seinen Sohn drei Jahre vor seinem Tod in seiner Villa am Zürichberg besuchte, fragte er entgeistert: «Sag mal Roger, bist du jetzt ein Hochstapler?»
Wenn sich streitbare Zeitgenossen in die Haare geraten: Schawinskis Begegnung mit Niklaus Meienberg
Bärtiger Bürgerschreck vs. Multimillionär
«Ist Meienberg ein Antisemit?»
Alle, die das Podiumsgespräch zu diesem Thema erlebt haben, werden den Abend im Oktober 1991 wohl nie vergessen.
Im Vorfeld hatte der streitbare Publizist mit eigenwilligen Interpretationen zum Golfkrieg schockiert: Iraks Diktator Saddam Hussein sei von Natur aus nicht grausam, «wie uns nun die Dummerjane von der Zionistenpresse glauben machen wollen», war in der Ostschweizer AZ nachzulesen. Und der amerikanische General Norman Schwarzkopf, «jüdischer Abkunft», sei ein «rechtsextremer Zionist, militärischer Berserker, vitaler Satansbraten, 140 Kilo schwer und 170 IQ», der sich als «jüdischen Messias» sehe, «oder wenigstens als Judas Makkabäus, welcher die Feinde Israels endgültig – harmaggedon! – aufs Haupt schlagen wird.»
Nach seinem Abstecher an die Siegesparade in Washington hatte Niklaus Meienberg in der Weltwoche beanstandet, er habe weder Enzensberger noch Henryk M. Broder oder Roger Schawinski mitmarschieren sehen, dabei seien sie «doch so von diesem Krieg begeistert gewesen und hatten frenetisch Aufrüstung betrieben.»
Die Diskussion zog sich schleppend dahin, und es herrschte bereits Ernüchterung, als plötzlich von ganz hinten im Saal Roger Schawinski ans Mikrophon stürmte und Niklaus Meienberg in höchster Erregung als Antisemiten und üblen Charakter beschimpfte. «Roger hatte Schaum vor dem Mund», beschreibt Augenzeuge Jürg Ramspeck, «er brachte keinen geraden Satz hervor.» Seine hasserfüllten Tiraden seien bestimmt keine Show gewesen.
Anschliessend, in der Pizzeria Da Guido, wäre es um ein Haar zu einer Schlägerei gekommen – erst im letzten Moment konnten sie von Umstehenden zurückgehalten werden. «Dich mache ich fertig, auch wenn es mich den letzten Franken kostet», habe Schawinski gefaucht.
Kaum jemand verstand seinen Gefühlsausbruch. Die meisten Zeitungen schwiegen den Eklat tot, nur das linke Volksrecht urteilte: «Gewisse Zuhörer/innen waren fehl am Platz. Roger Schawinski beispielsweise, Boss des Radio 24, stürmte ausser sich vor das Podium und beschimpfte Niklaus Meienberg aufs gröbste. Er, der sich ungebeten jeden Monat im Bonus 24 über die bösen, bösen Medienmacher in diesem Lande ausweint, benahm sich selber wie einer, der keine Grenzen kennt.»
Um zu begreifen, wie der bärtige Bürgerschreck und der smarte Medienpionier so heftig aneinandergeraten konnten, muss man zwei weitere Jahre zurückblenden.
Damals verfiel Schawinski dem fatalen Gedanken, sich zum 10jährigen Jubiläum von Radio 24 im Oktober 1989 vom wortgewaltigen Niklaus Meienberg im Doppelpunkt ausquetschen zu lassen – wer sonst wäre ein glaubwürdiger Gegenspieler gewesen?
Dieser nahm die Herausforderung an, und nachdem er sich auf Schawinskis Kosten (drei bezahlte Arbeitstage) kundig gemacht hatte, setzten sie sich an einen Tisch.
Zuerst – wie hätte es anders sein können – schielte Meienberg aufs Portemonnaie: «Du bist unterdessen Multimillionär, was machst Du mit dem Stutz?»
Schawinski (leicht genervt): «Das hast Du doch sicher recherchiert, Du bist doch so ein guter Journalist.»
«Verglichen mit einem durchschnittlichen Zürcher bist Du ein Superprivilegierter», drängelte Meienberg, «Du hast ein eigenes Haus, anscheinend ein sehr schönes Haus mit einem unterirdischen Schwimmbad, ist das richtig?»
«Wenn Du das so sagst, tönt das, als wäre es obszön!»
«Kommt draufan, was passiert im Schwimmbad.»
Als nächstes kritisierte Meienberg das Radioprogramm: «Wenn man eure Sendungen so anhört, dieses ständige Geplätscher, hat man das Gefühl, man kann den Hahnen aufdrehen und statt Wasser kommt halt Musik heraus. Es ist immer unheimlich rasant, unheimlich aufgestellt. Immer dieser Zwang zum Lustigsein, zum Knackigsein, das Allerneuste durchzugeben und gleich wieder zu vergessen. Das macht
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