DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
Geisteszustand stand, wurde in den kommenden Wochen immer deutlicher: in der ganzen Welt verschickte er chaotische Pamphlete, mit denen er in letzter Minute den atomaren Weltkrieg verhindern wollte («Tut etwas, wenn ihr nicht krepieren wollt!»), zudem wähnte er sich vom israelischen Geheimdienst verfolgt und in ständiger Lebensgefahr.
Zu dieser Zeit hatte Schawinski, den Meienberg für einen Mossad-Agenten hielt, vor allem mit privaten Problemen zu kämpfen: Nach der Scheidung zog Ina mit den beiden Kindern Joelle und Kevin überstürzt nach Deutschland. Kurz darauf erkrankte Schawinskis Freundin Rachel an Krebs, mit der er seine Zukunft verbringen wollte.
Ausgerechnet jetzt musste die Israelitische Cultusgemeinde dieses verflixte Podiumsgespräch organisieren…
Rachel und Roger – die Tragödie der beiden, die sich ein Leben lang verpassten
Plötzlich fing es an zu funken im Wäggital
Roger Schawinski hat drei Büros: Eines bei Radio 24 eines bei Tele 24 – und eines zu Hause. In letzterem steht sein Fitnessvelo, das nach dem Strampeln an Ort eine Quittung ausdruckt, und über dem Schreibtisch hängt ein Bild, von einer Künstlerin in Jaffa gemalt. Es zeigt das gütige Gesicht einer dunkelhaarigen jungen Frau: Rachel Mil.
Für Roger Schawinski war sie immer einfach «ds Klärli» (eigentlich hiess sie Claire, doch sie selbst verwendete hauptsächlich ihren jüdischen Vornamen Rachel); und kein Mensch in seinem Leben hat ihm mehr bedeutet als sie.
Kennengelernt hatte er Rachel in seiner Schulzeit als die beste Freundin seiner Schwester Jacqueline. Die beiden Mädchen waren seit dem Kindergarten zusammen – und für den um drei Jahre älteren Roger, der sie oft nervte, hatten sie meist nur Kichern übrig.
Von seiner ernsthafteren Seite zeigte er sich erstmals im Ilanot, dem Jugendbund der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, wo er sich als Madrich (Führer) engagierte, aufwühlende Filme über den Nationalsozialismus und den Holocaust vorführte und anschliessend packende Diskussionen zu diesem Thema leitete oder – wie etwa in einem Skilager in den Flumser Bergen – das Unterhaltungsprogramm ausrichtete.
«Dort war ich erstmals in einer Managementfunktion tätig», sagt er heute. Später, bei seinen Radio- und Fernsehprojekten, habe er immer das Gefühl gehabt, «eigentlich mache ich genau das Gleiche wie damals beim Jugendbund.» Nur sei die Kwuza (die Gruppe) in der Zwischenzeit etwas grösser geworden…
Beim Inszenieren des Theaterstücks «Le Petit Prince» von Antoine de Saint-Exupéry mit seinen Schützlingen seien ihm erstmals die inneren Qualitäten der zierlichen Rachel aufgefallen. Wer sonst könnte dem kleinen Prinzen die Stimme leihen, der mit grenzenlosem Vertrauen und kindlicher Unschuld von einem fremden Planeten auf die Erde kommt, um einen wahren Freund zu finden? «Bei ihr spürte ich etwas Geheimnisvolles, ihre grosse Weisheit und eine tiefe Zuneigung.»
Nach Jahren der Funkstille verabredeten sie sich zu einem Ausflug ins Wäggital – Rachel bereitete sich auf ihren Abschluss des Lehrerseminars vor, während Roger Englisch für sein Studienjahr an der Uni in Michigan büffelte. An diesem sonnigen Tag konnte sie nichts mehr zurückhalten: «Plötzlich fing es an zu funken», schwärmt Schawinski, «wir umarmten uns heftig und kullerten wie in einer kitschigen Filmszene ungefähr fünfzig Meter den Abhang herunter.»
1968, Sommer der Liebe. Mit einer Einschränkung: Für Rachel, aus traditionellen jüdischen Familienverhältnissen stammend, war es undenkbar, sich ohne Heiratsabsichten sexuell mit einem Mann einzulassen. Schawinski erinnert sich an eine gemeinsame Ferienreise nach Skandinavien: Mit Rachels Mini tuckterten sie durch halb Europa, und jeden Abend stellten sie irgendwo ihr Zweierzelt auf. «Immer, wenn wir uns nahe kamen, blockte sie im entscheidenden Moment ab.» Dafür redete sie immer vom Heiraten, das wiederum erschien Roger verfrüht.
Mit allen Mitteln versuchte er, sein «Klärli» vom allzu orthodoxen Tugendpfad abzubringen, unter anderem nach seinem Pariser Interview mit der Chansonnière Francoise Hardy. Zitat aus der Schweizer Illustrierten: «Ich frage sie nach der geschlechtlichen Liebe. , meint sie. »
Doch Rachel blieb bei ihrem Prinzip. Schawinski: «Sie war immer dieses brave Mädchen, das genau
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