DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
seltsame Montagmorgen. War es sein angespanntes Gesicht? Dieser ausweichende Blick? Oder bildete er sich alles nur ein? Jedenfalls wusste Bürgin innert Minuten, dass etwas nicht mehr stimmt. «Es war wie in einer Beziehung, wenn beide plötzlich merken, es ist aus und vorbei.»
Mit einem Kloss im Hals ging er zum Chef. «Gib zu, Du hast mir den Teppich unter den Füssen weggezogen», stellte er ihn zur Rede. «Wenn Du Dich mir gegenüber so verhältst, kann ich keinen Tag länger weitermachen.»
Ohne langes Hin und Her brachen sie die Übung ab. Einzigartig ist ihre Formulierung im Pressekommunique: «Bürgin und Schawinski, die seit 15 Jahren eng befreundet sind, erlebten die gewaltigen Herausforderungen beim Start dieses Unternehmens mehr als eine Belastung ihrer privaten Beziehung, die sie unter keinen Umständen gefährden wollen.»
Ironie des Schicksals: Kurz darauf kam heraus, dass die tiefen Zuschauerzahlen auf einen Computerfehler beim SRG-Forschungsdienst zurückzuführen waren.
So konnte Bürgin nicht hautnah miterleben, wie sein rastloser Freund den nächsten Gipfel erstürmte: Tele 24. Doch auf seiner Homepage im Internet lässt Schawinski die Welt bei seinem jüngsten Trip mitfiebern: «Tele 24 ist mein letztes Projekt», behauptet er, «das muss ich jetzt durchziehen. Als Langstreckenläufer richte ich mich für die grosse Distanz ein. Ich weiss, dass jeweils bei Kilometer 34 der Hammermann kommt, aber bei der Marke 42 ist man im Glück. Dorthin will ich kommen, nur noch dorthin.»
Und dann schauen wir weiter.
Acht Jahre nach Václav Havel geht der Duttweiler-Preis an Roger Schawinski – welch eine Genugtuung!
«And the winner is…» – nein, nicht Madonna!
Auf den Monitoren sind die eintreffenden Gäste zu sehen: Gerade begrüsst Roger Schawinski den Komiker (und ehemaligen Mediendokumentalisten beim Schweizer Fernsehen) Viktor Giacobbo. «Hoi Viktor! Lässig, dass bisch cho!»
Der Techniker im Übertragungswagen von Tele 24 setzt den Kopfhörer auf. Noch einmal prüft er die Leitungen ins Studio, regelt Farben und Ton. «Natürlich gehen wir live auf Sendung», sagt er. Schliesslich sei der grösste Tag im Leben seines Chefs. Ihm wird heute in Rüschlikon, hoch über dem Zürichsee, der Duttweiler-Preis verliehen.
«Ein schöner Preis, ein schweizerischer Preis», sagte vor acht Jahre Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt in seiner Laudatio zu Václav Havel, dem Staatspräsidenten der damaligen Tschechoslowakei. Und schloss mit den Worten: «Ich bin sicher, Odysseus wählte das Los, ein Schweizer zu sein.»
Heute sitzt Roger Schawinski in der ersten Reihe – umrahmt von Ehefrau Gabriella und seiner Schwester Jacqueline (die seit dreissig Jahren in Kanada lebt, «weil ich mit meinem berühmten Bruder in der Schweiz nicht mein eigenes Leben führen könnte» – und am Rednerpult lässt Stiftungspräsident Jules Kyburz das Leben des «Medienpioniers», «Medienpapstes», «Radiopiraten», «Che Guevara des Schweizer Fernsehens» und «Ted Turner von Züri West» Revue passieren. Eine Odyssee im Zeitraffer: «Als er den Kassensturz erfand, machte er aus dem Konsumentenschutz eine offensive Kraft. Als Chefredaktor der Tat machte er eine Boulevard-Zeitung, die so modern war, dass die Migros nicht Schritt halten konnte. Mit Radio 24 kämpfte er nicht nur den den Weg frei für das Lokalradio der Schweiz, er krempelte auch gleich beide Hörergewohnheiten um. Mit Tele Züri etablierte er das erste grosse Regionalfernsehen in unserem Land und schrieb so rasch schwarze Zahlen, wie weltweit keiner zuvor. Mit Tele 24 eroberte er die nationale Konzession für das erste sprachregionale Fernsehprogramm, und mit dieser vorläufig letzten Pioniertat brachte er das Monopol des Schweizer Fernsehens SF DRS ins Wanken.»
Die Laudatio hält Stefan Aust. «Lieber Herr Schawinski», bemerkt der Chefredakteur des deutschen Spiegel-Magazins gegen Schluss seiner Rede, «Sie haben sich mit Talktäglich den Ruf eines überaus scharfzüngigen und temperamentvollen Star-Talkers erworben. Doch ich kann mir, so viel Spass die Sache auch macht, schwer vorstellen, so etwas als Nebentätigkeit jeden Tag hinzukriegen.» Langsam hebt er den Blick, und mit schelmischem Lächeln fügt er hinzu (und zwar in Abweichung vom Manuskript), – «irgendwie müssen sie auch einen kleinen Knall haben…»
Alle lachen, klatschen, toben. Endlich hat einer den Mumm, diesen Teufelskerl, den man hierzulande entweder vergöttert oder
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