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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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erdulden zu müssen, verdrängt worden. Und nun konnte sie die faszinierende Landschaft wieder genießen, die endlosen Sandwellen, die sich vor ihr erstreckten. Während der Grauschimmel einen niedrigen Hügel nach dem anderen überquerte, wuchs ihre Neugier. Was würde sie hinter der nächsten Anhöhe erblicken?
Das Terrain stieg abwechselnd an und senkte sich, etwa eine Stunde lang, in monotoner Folge. Dann verflachte die Wüste wieder, und die Sicht reichte bis zu einem kaum erkennbaren, verschwommenen Horizont. Ungefähr zwei Meilen entfernt erhoben sich ein paar Palmen, die dicht beisammenstanden, und Diana lenkte das Pferd in diese Richtung. Wahrscheinlich gab es dort einen Brunnen, und es war an der Zeit, dem Grauschimmel und sich selbst eine Ruhepause zu gönnen.
In der winzigen Oase angekommen, stieg sie ab und befürchtete schon, keinen Brunnen zu finden. Aber sie hatte Glück. Allerdings war er dick verschlammt, so daß sie ihn erst freilegen mußte. Es war ein hartes Stück Arbeit, doch schließlich konnte sie Silberstern, der eifrig daran schnupperte, mit Wasser versorgen und ihren eigenen Durst stillen. Danach lockerte sie sein Zaumzeug, sank auf einem kleinen Schattenfleck nieder und zündete sich eine Zigarette an. Ihren Helm über den Augen, streckte sie sich im Sand aus.
Zum erstenmal, seit sie Gaston abgeschüttelt hatte, begann sie ernsthaft nachzudenken. Was sie tat, war sträflicher Leichtsinn. Sie besaß keinen Proviant, kein Futter für das Pferd, kein Wasser, und nur der Himmel wußte, wo die nächste Oase lag. Wer sollte sie in diesem unzivilisierten, von Barbaren bevölkerten Land schützen? Vielleicht würden ihr freundliche Araber begegnen - vielleicht auch nicht. Sie konnte ein Lager erreichen oder tagelang weiterreiten, ohne eine einzige Menschenseele zu sehen, gepeinigt von Hunger und Durst. Was würde sie tun, wenn die Nacht hereinbrach?
Mit einem schrillen Schrei sprang sie auf, starrte die wenigen Palmen und Kamelgrasbüschel an, den zerbrochenen Brunnen, den Silberstern immer noch beschnüffelte. Wachsende Angst nahm ihr den Atem. Mutterseelenallein stand sie in einer grenzenlosen Wildnis, und sie fühlte sich so winzig wie das geringste aller Lebewesen. Als sie zum klaren Himmel hinaufblickte, erschien ihr die blaue Weite unendlich und grauenerregend.
Dann verflog die plötzliche Panik, und Diana faßte neuen Mut. Es war erst Mittag, und bis zum Abend konnte noch viel geschehen. Aber eines stand fest: Sie bereute nicht, was sie getan hatte. Hinter ihr lag eine qualvolle Gefangenschaft, vor ihr der mögliche Tod, und sie zog den Tod vor. Nachdem sie ihre Nerven beruhigt hatte, legte sie sich wieder in den Schatten, fest entschlossen, nicht mehr an etwaige Gefahren zu denken. Damit wollte sie sich erst befassen, wenn sie ihr tatsächlich drohten. Während der nächsten ein bis zwei Stunden mußte sie rasten und der brütenden Hitze entrinnen. Sie drehte sich auf den Bauch, vergrub das Gesicht in den Armen und versuchte zu schlafen. Doch sie war zu aufgeregt, um sich zu entspannen. Außerdem würde sie womöglich zu lange schlafen und kostbare Zeit verlieren. Und so rekelte sie sich wohlig im weichen Sand, dankbar für den Schatten, der sie vor der Sonnenglut schützte.
Inzwischen hatte der Grauschimmel keine Lust mehr, am Brunnen zu schnüffeln. Verächtlich musterte er die trockenen Dornenbüsche, ehe er langsam zu Diana wanderte und sie vorsichtig mit seinen Nüstern anstieß. Sie streichelte das samtige Maul und zog seinen Kopf zu sich herab. Wie liebevoll er war, viel sanftmütiger als die meisten anderen Pferde ... Leise schnaubte er und betrachtete sie mit großen ausdrucksvollen Augen. «Armer alter Junge, leider habe ich kein Futter für dich», flüsterte sie bedauernd, küßte seine Nase und schob ihn behutsam weg.
Wieder blickte sie zum Himmel auf. Über ihr schwebte ein dunkler Fleck, im langsamen, kreisenden Flug eines Aasgeiers. In wenigen Stunden mochte er an ihren Gebeinen nagen ... Barmherziger Gott! Warum gingen ihr solche Gedanken durch den Sinn? Verlor sie den letzten Rest ihres Mutes, der einst ihre zweite Natur gewesen war? Wenn sie sich von ihrer Angst besiegen ließ, konnte sie genausogut hier liegenbleiben und sterben.
Mit bebenden Fingern zog sie noch eine Zigarette aus der Packung, um ihre Nerven zu beschwichtigen. Und doch zögerte sie, bevor sie ein Streichholz anriß. Allzu viele Zigaretten hatte sie nicht mitgenommen, und vielleicht würde sie das

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