Der Scheich
ihren Mut einzusetzen, und gleichzeitig eine weibliche Angst vor den körperlichen Schmerzen, die sie in diesem Fall erwarteten. Während sie noch mit sich rang, drückte der Scheich sie fester an seine Brust, und sie spürte die harten Muskeln seines Arms an ihrem zarten Nacken. Es kostete ihn kaum Mühe, sie seine gewaltige Kraft spüren zu lassen. Langsam hob sie den Kopf und sah ihn an.
Seine Miene war unverändert, die Stirn immer noch gefurcht, der Blick unerbittlich. Plötzlich vertiefte sich der grausame Zug um seine Lippen, und er erinnerte sie wieder an einen Tiger. Er hatte keine leere Drohung ausgestoßen. Er meinte es ernst.
«Sie sollten mich töten», flüsterte sie.
«Dann würde ich meine eigene Niederlage eingestehen», entgegnete er kühl. «Ein Pferd töte ich erst, wenn ich weiß, daß ich es nicht zähmen kann. Aber dich vermag ich zu zähmen, und ich werde es tun. Heute nacht darfst du selbst entscheiden, ob du mir freiwillig gehorchst oder ob ich dich dazu zwingen muß. Ich war sehr geduldig - was meinem Charakter widerspricht», fügte er hinzu, und ein seltsames Lächeln glitt über sein Gesicht. «Nun ist meine Geduld erschöpft. Also, entscheide dich. Sofort!» Wie Stahlbänder umfingen seine Arme ihren Körper, und sie mußte schaudernd an eine große Würgeschlange denken. Trotzdem unternahm sie einen letzten Versuch, ihren Stolz zu bewahren. Dann aber tauchten vor ihrem geistigen Auge ein gesenkter Pferdekopf, ein wundes Maul voller Blut und Schaum, zuckende Flanken und ein schweißüberströmter, grausam geschundener Leib auf. Eine heftige Übelkeit drehte ihr fast den Magen um. Vor ihren Augen schien alles zu verschwimmen. Schwankend lehnte sie an dem Mann, der sie festhielt, und die Angst besiegte ihren Verstand. Noch mehr vermochte sie nicht zu ertragen. «Ich werde Ihnen gehorchen», stieß sie hervor.
Da umfaßte er ihr Kinn, hob ihren Kopf, starrte sie so eindringlich an, daß sie glaubte, er würde bis auf den Grund ihrer Seele blicken. Die Stirnfalten glätteten sich. Doch die lodernde Glut in seinen Augen erlosch nicht. «Gut», antwortete er nach einer langen Pause. «Das ist sehr klug von dir», fügte er vielsagend hinzu und beugte sich über sie. Beinahe berührten seine Lippen ihren Mund, und sie erschauderte unwillkürlich. Als er die flehende Bitte in ihrer Miene las, lächelte er ironisch. «Verabscheust du meine Küsse denn so sehr?»
Krampfhaft schluckte sie.
«Wenn du mir auch nicht schmeichelst - du bist wenigstens ehrlich», bemerkte er, ließ sie los und wandte sich ab.
Mühsam schleppte sie sich zu den Vorhängen, die beide Räume voneinander trennten. Ihr Herz pochte wild, und ihr schwindelte von der inneren Anspannung. Sie hielt inne und drehte sich zaudernd um, wobei sie sich über ihre eigene Scheu wunderte. Der Scheich stand am Eingang des Zelts und blickte in die Nacht hinaus. Ein Luftzug wehte den eigenartigen Geruch seines Tabaks zu ihr hinüber. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Würde sie ihn jemals verstehen? An diesem Abend hatte er ihr die Wahl gelassen, statt ihr einfach seinen Willen aufzuzwingen. Nachdem er seine Entschlossenheit und seine Macht bewiesen hatte, hatte er ihr die Möglichkeit gegeben, ihr Gesicht zu wahren. Bei seinen letzten Worten war die unerwartete Zärtlichkeit in seine Stimme zurückgekehrt, ein belustigtes Lächeln hatte die grausamen Linien um seinen Mund gemildert. Diesen schnellen Übergang von wilder Glut zur Sanftmut würde sie niemals begreifen. Er war für sie ein Rätsel. Aber sie wollte gar nicht versuchen, Verständnis für ihn aufzubringen. Niemals würde sie die verwirrenden Tiefen seiner Persönlichkeit entschlüsseln können. Nur eines wußte sie - aus unerklärlichen Gründen hatte er sie vorerst verschont, und sie fürchtete ihn mehr denn je.
Fünftes Kapitel
Diana wartete unter der Markise auf Gaston und die Pferde. Nervös zerrte sie an ihren Reithandschuhen, und eine beklemmende innere Anspannung hatte sich ihrer bemächtigt. Am frühen Morgen hatte Ahmed Ben Hassan das Lager verlassen, und es stand nicht fest, ob er an diesem oder erst am nächsten Abend zurückkehren würde.
Wie lange seine Abwesenheit dauern mochte, hatte er nur angedeutet. Ein ständiges Kommen und Gehen war ihr aufgefallen. Immer wieder, auch nachts, trafen Boten auf erschöpften Pferden ein, und der Scheich wirkte ungewöhnlich besorgt. Er gab keine Erklärung für das rege Treiben seiner Leute ab. Und Diana hatte nicht danach
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