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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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alten, Madame», entgegnete Gaston hastig.
Diana lenkte ihr nervöses Pferd näher an seinen ruhigen Gefährten heran, übergab dem Diener die Zügel und ihren Hut und stieg ab. Langsam wanderte sie einen kleinen Hügel hinauf, setzte sich mit dem Rücken zu den Pferden auf den Gipfel und schlang die Arme um die Knie. Plötzlich erkannte sie, was die Ankunft des Fremden bedeuten würde. Er bewegte sich offensichtlich in ihren Kreisen, denn er unternahm ausgedehnte Reisen, und sein Vater war reich genug, um sich einen Rennstall zu halten. Außerdem zählte er zur ancienne noblesse , einer Gesellschaftsschicht, die allmählich ausstarb. Ein Gedanke schoß Diana durch den Kopf, und es war typisch für sie, daß sie sich darüber Sorgen machte: Wie konnte sie in ihrer jetzigen Stellung einem Mann gegenübertreten, der ihr gesellschaftlich ebenbürtig war? Die stolze Diana Mayo - Geliebte eines Wüstenscheichs? Schaudernd stützte sie ihre Stirn auf die Knie. Die Blamage, die ihr drohte, schnitt wie ein Messer in ihr Herz.
Wieder einmal flammte der Hochmut auf, den Ahmed Ben Hassan noch nicht ganz besiegt hatte. Sie fühlte sich erniedrigt und gedemütigt bis ins Mark. Selbst in Gegenwart des Mannes, der sie verwandelt hatte und den sie liebte, konnte sie sich manchmal nicht dagegen wehren. Manchmal schützte sie deshalb sogar ein Fieber vor und bat ihn, sie allein zu lassen. Nicht, daß er den Wunsch jemals erfüllte, denn er wußte genau, wann jemand fieberte und wann nicht. Statt sie zu schonen, nahm er sie in die Arme, mit jenem spöttischen Gelächter, das sie nach wie vor kränkte. Wahrscheinlich verschwendete er keinen Gedanken daran, was sie empfinden mochte, wenn sie seinem Freund gegenübertrat. Und falls er doch daran dachte, maß er diesem kleinen Problem keine Bedeutung bei. Natürlich ist es eine Frage des Standpunkts, überlegte sie bedrückt. Er sieht alles mit anderen Augen als ich. Unserer Herkunft und unserer Denkweise nach sind wir völlig verschieden. Für ihn bin ich nur die Frau, die er gefangenhält, ein unwichtiger Besitz.
Das Gesicht in den Händen verborgen, saß sie reglos auf dem Hügel, bis Gaston diskret hüstelte, um sie an die späte Stunde zu erinnern. Langsam kehrte sie zu den Pferden zurück, wachsbleich, die Lippen zusammengepreßt. Wie immer sträubte sich der Schimmel, als sie aufstieg. Seine Possen zerrten an ihren ohnehin angespannten Nerven. Ungeduldig riß sie am Zügel, und das Tier bäumte sich gefährlich auf.
«Vorsicht, Madame!» warnte Gaston.
«Um wen sorgen Sie sich - um mich oder Monseigneurs Pferd?» erwiderte sie bitter, ignorierte den Hut, den er ihr mit tadelndem Blick hinhielt, und spornte den Schimmel mitleidlos an. Wenn es schon sein mußte, dann wollte sie es wenigstens möglichst schnell hinter sich bringen. Gaston sprengte ihr nach. Zum erstenmal in der langen Dienstzeit verfluchte er den Herrn, für den er mit Freuden gestorben wäre.
Tänzers Nerven waren zum Zerreißen gespannt, ebenso wie ihre eigenen. Immer wieder drohte er durchzugehen, strömender Schweiß färbte den seidigen Hals dunkel. Um ihn zu bändigen, mußte sie ihre ganzen Reitkünste aufbieten. Würde sie ihn zügeln können, wenn sie das Lager erreichten? Von einer bösen Ahnung befallen, überquerte sie einen niedrigen Hügel, nicht weit von ihrem Ziel entfernt, und wickelte die Zügel um ihre Hände, damit sie ihr nicht entglitten. Während sie sich dem Camp näherte, sah sie den Scheich an der Seite eines großen, schlanken Mannes vor seinem Zelt stehen.
Nur für einen Sekundenbruchteil erblickte sie zerzaustes dunkles Haar und einen kurzgeschnittenen Bart, dann raste sie weiter - unfähig, ihr Pferd auszuhalten. Das gelang ihr erst, nachdem sie das Zelt passiert hatte. Schmerzhaft schnitten ihr die Zügel in die Finger, als sie den Schimmel herumriß. Mehrere Reitknechte eilten zu seinem Kopf. Aber da er sich wie wild sträubte, bekamen sie ihn nicht zu fassen. Tänzelnd bäumte sich der Hengst auf, bis er seinen Spaß gehabt und Diana genug Verdruß bereitet hatte und sich einfangen ließ. Seit dem Ende seines wilden Galopps hatte sie nichts unternommen, um ihm Einhalt zu gebieten. Wenn sich das Tier wie ein Narr gebärden wollte, würde sie sich nicht lächerlich machen, indem sie einen sinnlosen Kampf mit ihm aufnahm. Nachdem die Männer ihn ergriffen hatten, beruhigte sich der schnaubende Hengst allmählich. Diana ließ die Zügel los, zog die Handschuhe aus und rieb sich die

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