Der Scheich
während sie ihn betrachtete. Er forderte bedingungslosen Gehorsam. Erst vor wenigen Stunden hatte sie beschlossen, sich völlig zu unterwerfen - und bereits bei der ersten Prüfung versagt. Obwohl sie fand, daß er zuviel von ihr verlangte, konnte sie es nicht ertragen, in den Augen des geliebten Mannes den Zorn zu lesen, den sie entfacht hatte.
In den zwei Monaten ungetrübten Glücks war dieser wütende Blick, den sie fürchten gelernt hatte, kein einziges Mal auf sie gefallen. Seine dunklen, unergründlichen Augen hatten nur vor Freundlichkeit oder Belustigung gefunkelt. Die schrecklichsten Qualen würde sie verkraften, nur nicht seinen Groll, und sie würde sich bemühen, ihn zu versöhnen. Verzweifelt sehnte sie sich danach, glücklich zu sein. Sie liebte ihn so sehr, daß sie bereit war, alles aufzugeben, um sich seinem Willen unterzuordnen. Wenn sie ihn doch nur in den Mann zurückverwandeln könnte, der er in diesen letzten Wochen gewesen war ... Oder hatte sie seinen Zorn auf die Spitze getrieben? Nun lag sie ihm gleichsam zu Füßen, war endlich gezähmt. Ihr ganzer Stolz und ihr Eigensinn wurden von einer alles verzehrenden Liebe besiegt. Die Liebe bereitete ihr fast unerträgliche Qualen. Und daß er ihre Gefühle nicht erwiderte und sie in ihrem Leid verhöhnte, machte alles noch viel schlimmer. Am meisten peinigte sie die Vorstellung, wie es hätte sein können.
Als sie sich Ahmed Ben Hassan näherte, wandte er sich abrupt um: «Nun?» Seine Stimme klang hart und unerbittlich, und seine funkelnden Augen erinnerten sie wieder an jenen Tiger im indischen Dschungel.
Um die lähmende Furcht niederzukämpfen, biß sie die Zähne zusammen. «Ja, ich werde alles tun, was Sie wollen, aber bitte, Ahmed - seien Sie gut zu mir!» wisperte sie unsicher. Nie zuvor hatte sie ihn beim Vornamen angesprochen, und auch jetzt hatte sie es unwillkürlich getan. Als er das hörte, huschte ein fragender Ausdruck über sein Gesicht.
So sanft wie am Morgen nahm er sie in die Arme. Sie hob den Kopf. Tapfer erwiderte sie seinen hypnotischen Blick, dem sie sich nicht entziehen konnte, und er las in ihren Zügen die endgültige Kapitulation. Jetzt hatte er sie vollends bezwungen. Obwohl ihm das gefiel, musterte er sie mit sonderbarer Miene.
In seinen Armen wirkte sie wie eine zarte Blume, die er mühelos zermalmen konnte. Und doch hatte sie ihn vier Monate lang bekämpft, mit einer mutigen Entschlossenheit, die der seinen ebenbürtig war und die er gleichzeitig bewunderte und ablehnte. Er wußte, wie sehr sie ihn fürchtete. Gerade dann, wenn sie ihn besonders kühn herausforderte, erkannte er kaltes Entsetzen in ihrem Blick. Dianas Trotz und ihr Haß - welch ein Gegensatz zur gewohnten schmachtenden Hingabe anderer Frauen, die ihn stets unendlich gelangweilt hatte - reizten ihn und weckten in ihm den Wunsch, sie zu unterwerfen. Ehe er ihrer überdrüssig wurde, mußte sie sich rückhaltlos seinem Willen beugen.
Er wußte, daß an diesem Abend der letzte Kampf stattgefunden hatte. Nie wieder würde sie aufbegehren. Sie war Wachs in seinen Händen, und er konnte mit ihr tun, was er wollte. Doch der Sieg bereitete ihm keine Freude. Statt dessen verspürte er ein merkwürdiges Unbehagen, das ihm einen leisen Fluch entlockte. Die erwartete Genugtuung blieb aus, und sein Mißvergnügen war ihm unerklärlich. Jetzt verstand er sich selbst nicht mehr. Wieder blickte er sie an, diesmal voller Ungeduld, und er sah ihre Schönheit auf einmal mit ganz anderen Augen.
In dem grünen Kleid, das sich an ihren Körper schmiegte, wirkte sie sehr weiblich. Auch ihre schlanke, knabenhafte Gestalt in Reitkleidung gefiel ihm. Aber es war die Frau, die sein Blut erhitzte und seinen Herzschlag beschleunigte. Eine Weile betrachtete er die schimmernden Locken, die flehenden, von dunklen Wimpern umrahmten Augen, den bloßen Hals, der sich betörend weiß von der jadegrünen Seide abhob. Dann schob er sie von sich. «Beeil dich», sagte er leise.
Sie schaute ihm nach, bis er hinter den Vorhängen verschwand, und ihr Seufzer glich einem Schluchzen. Für ihr Glück zahlte sie einen hohen Preis. Doch sie hätte bereitwillig einen noch höheren entrichtet. Jetzt, wo er ihr nicht mehr zürnte, war alles andere belanglos.
Was ihre totale Kapitulation bedeutete, wußte sie - sie gab ihre Persönlichkeit auf, verleugnete sich selbst und unterwarf sich uneingeschränkt Ahmeds Wünschen und Launen. Damit gab sie sich zufrieden, und die Liebe würde ihr helfen, alles
Weitere Kostenlose Bücher