Der Scheich
schmerzenden Hände. Als der Scheich auf sie zukam, stieg sie rasch ab. Ärgerlich versetzte sie Tänzer mit ihren Reithandschuhen einen Klaps auf die Nase und beobachtete, wie er sich widerstrebend wegführen ließ. Erst als sie Ahmed Ben Hassans Stimme hörte, drehte sie sich zu ihm um. «Diane, der Vicomte de Saint Hubert möchte dir vorgestellt werden.»
Sie richtete sich auf und spürte, wie sie erbleichte. Zögernd richtete sie ihren Blick auf den Mann, der vor ihr stand. Nie zuvor hatte sie so freundliche Augen gesehen. Eine leise Höflichkeitsfloskel auf den Lippen, verneigte er sich.
Seine Wortkargheit gab ihr ein wenig Mut. «Monsieur...» erwiderte sie kühl. Dann wandte sie sich zu dem Scheich um, wich aber seinem Blick aus: «Heute hat sich Tänzer wieder einmal unmöglich benommen. Gaston, mein Hut, bitte. Danke.» Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand im Zelt.
Es war spät geworden, aber sie trödelte so lange wie möglich im Bad herum. Nur widerstrebend schlüpfte sie in das grüne Kleid, das der Scheich am liebsten hatte - ein Zugeständnis, für das sie sich selber haßte. Als er hereinkam, hatte sie gerade die Jadekette angelegt. Unsanft packte er sie an der Schulter und riß sie herum. Der gnadenlose Druck seiner Finger genügte, um ihr zu sagen, daß er wütend auf sie war. «Leider warst du sehr unhöflich zu meinem Gast.»
«Muß eine Sklavin die Freunde ihres Herrn höflich behandeln?» fragte sie mit gepreßter Stimme.
«Du sollst nur meine Wünsche erfüllen.»
«Und Sie wünschen, daß ich diesem Franzosen freundlich begegne?»
«Allerdings.»
«Wäre ich eine Frau aus Ihrem Volk...», begann sie ärgerlich.
«Wärst du eine Frau aus meinem Volk, müßten wir solche Probleme gar nicht erörtern», unterbrach er sie frostig. «Kein Mann außer mir dürfte dich ansehen. Aber da dies nicht der Fall ist...» Er verstummte, einen rätselhaften Ausdruck in den Augen.
«Und deshalb quälen Sie mich um so grausamer», klagte sie. «Eigentlich müßte ich wünschen, ich wäre eine Araberin.»
«Besser nicht», empfahl er ihr in unheilverkündendem Ton, «denn das Leben einer Araberin wäre wohl kaum nach deinem Geschmack. Wir zwingen unsere Frauen mit der Peitsche zum Gehorsam.»
«Warum haben Sie sich seit heute morgen so verändert?» flüsterte sie. «Vorhin haben Sie mir noch erklärt, Sie hätten niemandem gestattet, mein Hotelzimmer in Biskra zu betreten. Sind Sie jetzt kein Araber mehr? Bin ich Ihnen so wenig wert, daß Sie keine Eifersucht empfinden?»
«Meinem Freund kann ich vertrauen, und außerdem habe ich ihm ja nicht vorgeschlagen, dich mit ihm zu teilen», erwiderte er schonungslos.
Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. Mit einem leisen Aufschrei verbarg sie ihr Gesicht in den Händen.
«Wirst du tun, was ich dir sage?» Wieder umklammerte er ihre Schulter. Die Frage klang wie ein Befehl.
«Offensichtlich habe ich keine Wahl», flüsterte sie. Als er die Hände sinken ließ und sich zum Gehen wandte, hielt sie seinen Arm fest. «Monseigneur! Kennen Sie kein Mitleid? Wollen Sie mir diese Tortur nicht ersparen?»
Er schüttelte ungeduldig den Kopf und schob ihre Hand beiseite. «Nun übertreibst du.»
«Wenn Sie dieses eine Mal Gnade walten lassen ...», flehte sie atemlos.
Aber er fiel ihr mit einem wilden Fluch ins Wort. «Wenn? Versuchst du mit mir zu feilschen? Hast du in dieser ganzen Zeit so wenig gelernt?»
Sie schaute ihn an und seufzte müde. Obwohl sie ihr Bestes tat, um sich gegen seine wechselhaften Stimmungen zu wappnen, überrumpelte er sie immer wieder. Die Sanftmut des Morgens war verflogen. Nun erblickte sie wieder jenen Tyrannen, dem sie vor zwei Monaten begegnet war. Die Schuld daran mußte sie bei sich selbst suchen. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, daß er keinen Widerspruch duldete. Und sie hatte auf schmerzliche Weise gelernt, wie sinnlos es war, sich zu sträuben. In diesem Lager gab es nur einen einzigen Herrn, dessen Befehle stets befolgt werden mußten, mochte es den Untertanen auch noch so schwerfallen.
Inzwischen erforderte ein abgebrochener Fingernagel seine Aufmerksamkeit, und er suchte auf dem Toilettentisch nach einem Messer. Diana beobachtete, wie er den Nagel behutsam abschnitt. Zu den zahlreichen Dingen, die sie verwirrten, gehörte nicht zuletzt die peinliche Sorgfalt, die er auf seine manikürten Hände verwendete. Das Lampenlicht erhellte sein Gesicht. In ihrem Herzen wuchs ein dumpfer Schmerz,
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