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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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lecken. Mühsam wehrte sie ihn ab. Dann bückte sie sich, um seinen zottigen Kopf zu küssen.
Ihr Blick schweifte an den Palmen am Oasenrand vorbei und über die Wüste. Im heißen, flimmernden Dunst verwischten sich die Umrisse der fernen Berge. Eine schwache Brise wehte den beißenden Geruch der Kamele heran, am nahen Brunnen knarrte die Zugwinde. Seufzend blickte sich Diana um.
Wie vertraut ihr das alles geworden war ... Es kam ihr vor, als hätte sie schon immer ein Nomadenleben geführt. An die Jahre zuvor konnte sie sich kaum noch erinnern - jene Zeit, in der sie mit ihrem Bruder unermüdlich um die Welt gereist war. Damals hatte sie einfach nur existiert und ihre Tage mit sportlichen Aktivitäten ausgefüllt, ohne zu ahnen, was ihr fehlte. Aber nun lernte sie das wahre Leben kennen, und sie wußte, daß sie ein Herz besaß, obwohl sie stets daran gezweifelt hatte. Dieses Herz brannte und verzehrte sich vor Leidenschaft. Die Augen von liebevollem Glanz erhellt, betrachtete sie das Lager. Hier trug alles, was sie sah, den Stempel des Scheichs. Sie war stolz auf ihn, stolz auf seine großartigen Körperkräfte, stolz auf die Macht, die er über seine wilden Anhänger ausübte - stolz wie eine Barbarin, deren Liebster sein Volk mit Angst und Schrecken zähmte.
Nun beendete der alte Araber sein Gebet. Langsam erhob er sich von den Knien und verneigte sich grinsend vor ihr. Alle Stammesmitglieder nickten ihr zu, und jeder tat sein Bestes, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Mit ein paar gestammelten arabischen Sätzen beantwortete sie die lange, blumige Rede des alten Mannes. Dann kehrte sie leise lächelnd ins Zelt zurück.
Neben dem Vicomte blieb sie stehen. «Ein neuer Roman?» fragte sie schüchtern und zeigte auf die Manuskriptseiten.
Er drehte sich im Sessel um. Einen Ellenbogen auf der Armstütze, drehte er einen Füllfederhalter zwischen den Fingern und lächelte Diana an, als sie sich mit Kopec, der ihr ins Zelt gefolgt war, auf den Diwan setzte. «Nein, Madame, diesmal arbeite ich an einem ernsteren Werk, einer Geschichte dieses merkwürdigen Stammes. Ahmeds Gefolgsleute unterscheiden sich in vielen Belangen von gewöhnlichen Arabern. Seit Generationen bilden sie ein eigenes Volk - mit besonderen Glaubensregeln und Gebräuchen. Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, daß sie sich nicht an die strengen religiösen Gesetze anderer Mohammedaner halten. Ahmed Ben Hassans Stamm verehrt in erster Linie seinen Scheich, dann seine berühmten Zuchtpferde - und Allah steht erst an dritter Stelle.»
«Ist Monseigneur ein Mohammedaner?»
Saint Hubert zuckte die Achseln. «Nun, er glaubt an Gott», erwiderte er ausweichend, beugte sich wieder über seine Arbeit. Diana beobachtete ihn.
Belustigt dachte sie an das Bild, das sie sich vor seiner Ankunft von ihm gemacht hatte, und dem er überhaupt nicht entsprach. Seit einer Woche hielt er sich im Lager auf, und mittlerweile hatte er mit seinem liebenswürdigen Charme ihre Zuneigung und ihr Vertrauen gewonnen. Mit Takt und savoir-faire half er ihr über ihre peinliche Situation hinweg, wofür sie ihm sehr dankbar war. Sein angeborenes Feingefühl hatte sie vor zahlreichen Blamagen bewahrt. Und die gemeinsame Liebe zum Anführer dieses seltsamen Araberstammes verband sie miteinander. Wie mochte die Freundschaft zwischen den beiden grundverschiedenen Männern entstanden sein - eine Freundschaft, die bis in die Kindheit zurückzureichen schien? Diese faszinierende Frage beschäftigte Diana, während sie auf dem Diwan ruhte und den großen Hundekopf in ihrem Schoß streichelte.
Nachdem der Vicomte mehrere Manuskriptseiten gefüllt hatte, warf er die Feder erleichtert beiseite, sammelte die losen Blätter am Boden ein und stapelte sie ordentlich auf der Tischplatte. Dann wandte er sich wieder zu Diana um. Als er die schlanke Mädchengestalt betrachtete, die mit der unbewußten Anmut eines Kindes an den aufgehäuften Kissen lehnte und das Gesicht über den grauen Hund neigte, regten sich sonderbare Gefühle in seinem Herzen. Er war gerührt, denn längst war das Mitleid, das er bei der ersten Begegnung verspürt hatte, in tiefe Zuneigung übergegangen - begleitet von dem ritterlichen Wunsch, Diana vor der drohenden Katastrophe zu schützen.
Als sie seinen forschenden Blick spürte, hob sie den Kopf. «Haben Sie Ihre Arbeit beendet?»
«Alles, was ich im Augenblick tun kann. Den Rest muß Henri erledigen. Er begeistert sich für Hieroglyphen und ist mir eine wertvolle Hilfe. Ohne

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