Der Scheich
sprach, nahm seine Stimme einen anderen Klang an, und die Berührung der zarten, kühlen Hand jagte Gefühle durch seine Adern, die ihn sekundenlang zu überwältigen drohten.
Sie überließ ihm ihre Hand, wich seinem Blick aus und betrachtete den Hundekopf in ihrem Schoß. Dann schaute sie freimütig in Saint Huberts Augen. «Monsieur, ein so kostbares Angebot kann ich nicht ablehnen. Wenn Sie mein Freund sein wollen - so wie Monseigneurs Freund ...» Ihre Stimme erstarb, und sie wandte sich ab.
Als ihm der Sinn ihrer Worte bewußt wurde, drückte er ihre Hand, die jetzt noch heftiger zitterte. Monseigneurs Freund! In den letzten Minuten hatte er den Scheich vergessen, hatte im Taumel seiner Gefühle alles vergessen außer diesem schönen, hilflosen Mädchen. Und nun schwirrte ihm der Kopf. Seine innere Ruhe, seine Treue, sein unbeteiligtes Mitgefühl wichen einer ungeheuren Erregung, die ihn zu übermannen drohte. Wie rasend schlug sein Herz. Er biß die Zähne zusammen und versuchte verzweifelt, seine übliche Gelassenheit zurückzugewinnen. Urplötzlich hatte jene Gefühlswelt, die in seinem Roman zum Ausdruck kam, die eiserne Selbstdisziplin vieler Jahre besiegt. In seinen Ohren rauschte das Blut, während er um Fassung rang.
Von seiner Selbsterkenntnis erschüttert, hatte er die Augen geschlossen. Jetzt hob er die Lider. Zögernd, fast angstvoll, betrachtete er Diana, hielt ihre Hand fest und neigte sich zu ihr hinab, unwiderstehlich von ihrer betörenden Nähe angezogen. Er sah sie wie durch einen Nebel, der sich allmählich auflöste. Offensichtlich ahnte sie nicht, welche Gefühle sie in ihm erweckt hatte, und spürte nur sein Mitleid. Deshalb überließ sie ihm ihre Hand, wie einem Bruder. Tief über den Hund geneigt, berührte ihr Gesicht fast den großen Kopf, und Saint Hubert sah eine Träne im grauen Fell glänzen. Sie hatte seine Gegenwart vergessen, von einem einzigen Gedanken beherrscht.
Mühsam riß er sich zusammen. Diesen Anfall geistiger Verwirrung mußte er unbedingt bezwingen. Die gefährdete Loyalität festigte sich wieder, und er verabscheute sich selbst. Beinahe hätte er den Mann verraten, der ihm seit zwanzig Jahren näherstand als sein Bruder. Diana gehörte seinem Freund. Jetzt hatte er nicht einmal mehr das Recht, die Moral des Scheichs anzuzweifeln, der diese Frau wie sein Eigentum behandelte.
Seine innere Ruhe kehrte zurück. Die Wunde würde heilen, auch wenn der Schmerz niemals ganz verebben mochte. Doch er war stark genug, um seine Gefühle vor den Augen des Mannes zu verbergen, die ihn seit seinem Ausbruch am ersten Abend unentwegt eifersüchtig beobachteten. Tag für Tag verfolgte ihn dieser Blick. Selbst an diesem Morgen hatte der Scheich alle erdenklichen Mittel angewandt, um seinen Gast zur Teilnahme an der Expedition zu veranlassen - es hatte nur noch gefehlt, daß er dem Freund einen Befehl erteilte. Nun war Saint Hubert wieder Herr seiner selbst. Ehrfürchtig zog er Dianas Finger an die Lippen, und der Kuß drückte seine Entsagung aus. Als er die Hand auf ihren Schoß zurücklegte, hätte er angesichts ihrer völligen Versunkenheit beinahe wehmütig geseufzt.
In diesem Augenblick stürmte Henri ins Zelt. «Monsieur le Vicomte! Kommen Sie! Ein Unfall...»
Mit einem Schrei, den Saint Hubert niemals vergessen würde, sprang Diana auf. Ihre Wangen waren kreidebleich, und ihre Lippen formten den Namen «Ahmed», obwohl sie keinen Laut von sich gab. Sie zitterte am ganzen Körper. Unwillkürlich legte der Vicomte ihr den Arm um die Schultern, und sie klammerte sich an ihn. Allerdings ahnte er bedrückt, daß sie ebenso an einem Tisch oder Stuhl Halt gesucht hätte.
«Was ist passiert, Henri?» fragte er in scharfem Ton und trat zwischen Diana und seinen Diener.
«Einem Mann ist der Revolver in der Hand explodiert, Monsieur le Vicomte. Ihm wurden die Finger abgerissen.»
Saint Hubert nickte kurz in Richtung Tür. Dann richtete er seinen Blick wieder auf Diana. Sie sank auf den Diwan, umarmte den Hund und preßte das Gesicht an den Hals des Tieres. «Verzeihen Sie mir!» murmelte sie, die Stimme vom struppigen grauen Pelz gedämpft. «Wie dumm von mir ... Aber heute reitet er diesen gräßlichen Shaitan. Und da bin ich immer nervös. Bitte, gehen Sie, ich komme gleich nach.»
Wortlos verließ er das Zelt. Sie war nervös? Nach allem, was er in Biskra über Diana Mayo gehört hatte, ließ sie sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Mit ernster Miene eilte er durch das
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