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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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Lager.
Diana blieb sitzen, bis sie sich beruhigt hatte. Schließlich befreite Kopec den Kopf aus ihren Armen und leckte ihr winselnd das Gesicht ab. Diana rieb sich die Augen. Erleichtert trat sie, gefolgt von dem Hund, in den hellen Sonnenschein hinaus.
Aufgeregte Stimmen verrieten ihr, wo der Unfall stattgefunden hatte. Die Menge machte ihr Platz. Der Verwundete saß am Boden, hielt Saint Hubert tapfer die Hand hin, damit dieser sie behandeln konnte. Dabei verzog er keine Miene. Als Diana ihm aufmunternd zulächelte und ihm gut zuredete, grinste er verlegen und verdrehte die Augen. Besorgt blickte Saint Hubert auf. «Das ist kein schöner Anblick», meinte er.
«So empfindlich bin ich nicht. Lassen Sie mich das halten.» Entschlossen krempelte sie ihre Ärmel hoch und nahm eine blutbespritzte Schüssel aus Henris Hand. Erstaunt über ihre ruhige Stimme sah der Vicomte sie an. Er mußte an das leichenblasse Mädchen denken, das sich eben noch zitternd an ihn geklammert hatte. Sogar die Farbe war wieder in ihre Wangen zurückgekehrt. Solange es nicht um Ahmed Ben Hassan ging, zeigte sie den gewohnten unerschütterlichen Mut. Nur wenn ihm Gefahr drohte, kam die neue Diana zum Vorschein, von ihrer Liebe in einen Feigling verwandelt.
Interessiert beobachtete sie, wie fachkundig der Vicomte die verstümmelte Hand versorgte. Seine präzisen Bewegungen wiesen auf einschlägige Kenntnisse und langjährige Übung hin. «Sind Sie Arzt?»
«Ja», bestätigte er, ohne von seiner Arbeit aufzublicken. «In meiner Jugend habe ich Medizin studiert und alle nötigen Prüfungen bestanden. Ein solches Wissen sollte sich jeder aneignen, der weite Reisen unternimmt, und es hat mir schon oft wertvolle Dienste geleistet.»
Er griff nach dem Verbandszeug, das Henri bereithielt, und Diana übergab Gaston die inzwischen überflüssige Schüssel. Dann wandte sie sich wieder dem Araber zu, dessen Miene keine Regung zeigte. «Spürt er denn keine Schmerzen?» fragte sie Ahmeds Kammerdiener.
Lachend zuckte er die Achseln. «Er ist wohl ziemlich hart im Nehmen, Madame. Im Gegensatz zu mir. Und ich glaube, etwas anderes bekümmert ihn viel tiefer. Was wird Monseigneur wohl sagen, wenn er erfährt, daß Selim dumm genug war, einem Diener des Holländers, der letzte Woche hier vorbeikam, eine wertlose Waffe abzukaufen?» Als er ein paar scherzhafte Worte auf arabisch hinzufügte, hob Selim den Kopf und verzog das Gesicht.
Inzwischen hatte Saint Hubert die Hand verbunden. Er stand auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
«Wird er wieder gesund?» fragte Diana besorgt.
«Ganz sicher. Wie Sie gesehen haben, hat er seinen Daumen verloren. Aber ich denke, die restliche Hand kann ich retten. Natürlich werde ich ihn im Auge behalten, doch ich rechne nicht mit ernsthaften Schwierigkeiten, denn Ahmeds Männer befinden sich in ausgezeichneter körperlicher Verfassung.»
«Nun möchte ich ausreiten. Obwohl es spät geworden ist, dürfte die Zeit noch reichen. Begleiten Sie mich?»
Zögernd sammelte er seine Instrumente ein und wäre der Versuchung fast erlegen. Dann aber siegte die Vernunft. «Das würde ich gern tun, wenn ich mich nicht um Selim kümmern müßte», erwiderte er ausweichend.
Eine Viertelstunde später sah er sie vor dem Zelt des Scheichs in den Sattel steigen.
«Wenn ich nicht pünktlich zurück bin, warten Sie nicht auf mich, Monsieur!» rief sie, während sie versuchte, den herumalbernden Schimmel zu bändigen. «Henri soll Ihnen den Lunch servieren.»
Er blickte ihr nach, als sie, gefolgt von Gaston und der sechsköpfigen Eskorte, davonritt, auf der Ahmed Ben Hassan neuerdings bestand. Über diese Männer, die ihr stets auf den Fersen blieben, ärgerte sie sich, weil sie ihr die Freude an jedem Galopp verdarben, sie behinderten und dadurch den Reitausflügen ihren Reiz nahmen. An Gaston hatte Diana sich inzwischen gewöhnt, und sie beachtete ihn kaum. Doch die sechs Augenpaare, die sie auf Schritt und Tritt beobachteten, ärgerten sie. Sie verstand nicht, warum sie von so vielen Leuten beschützt werden mußte. Bei ihren Exkursionen in die Wüste war ihr bislang nichts aufgefallen, was diese Maßnahme des Scheichs gerechtfertigt hätte. Die Oase lag nicht an einer Karawanenroute, und alle Araber, die sie außerhalb des Camps traf, gehörten zu Ahmeds Gefolge. Manchmal spielte sie mit dem Gedanken, dagegen Einspruch zu erheben. Aber dazu fehlte ihr der Mut.
Seit der Ankunft seines Freundes behandelte er sie kühl, fast abweisend.

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