Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
als hätte ich eine Kanne Kaffee getrunken.
    Etwas stimmte nicht mit unserem Gast. Etwas hatte Mina furchtbare Angst eingejagt. Sie brauchte Hilfe. Aber wie konnten wir ihr helfen?
    »Wir sollten die Finger davon lassen«, hatte Merle gesagt. »Ich hab keinen Bock auf neue Schwierigkeiten.«
    Ich hatte zu ihren Worten genickt.
    »Wir sollten morgen früh gemütlich mit ihr frühstücken, und damit basta. Die Klamotten kann sie meinetwegen behalten, weil ihre ja noch nicht trocken sind. Aber das war’s dann. Arrivederci. Adios. Bye-bye.«
    Ich hatte immer weiter genickt.
    »Was gehen uns ihre Probleme an? Mensch, wir sind doch nicht der Mülleimer für jeden x-Beliebigen!«
    »Genau.«
    »Verdammte Kacke! Es wäre vernünftig, Jette!«
    Ich erwiderte ihren Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie sprach nur meine Gedanken aus. Wir hatten es verdient, ein bisschen zur Ruhe zu kommen. Was wir in den vergangenen Monaten durchgemacht hatten, erlebten andere in einem ganzen Leben nicht.
    »Guck mich nicht so böse an«, sagte ich. »Du hast absolut Recht.«
    »Dann ist’s ja gut«, knurrte sie.
    »Andrerseits … Seit wann sind wir vernünftig?«
    Wir hatten das Thema gewechselt, obwohl es uns schwergefallen war. Manchmal ist ein gewisses Maß an Verdrängung  absolut legitim. Einen Entschluss hatten wir am Abend nicht mehr gefasst.
    Hinter mir hörte ich ein Rascheln. Ich drehte mich um und sah Mina an der Tür stehen. In den geliehenen Sachen hatte ich sie im ersten Augenblick für Merle gehalten.
    »Kannst du auch nicht schlafen?«, fragte ich.
    »Ich könnte schon«, sagte Mina. »Ich will nicht.«
    Sie antwortete mir. Das war ein kleines Wunder.
    »Du willst nicht? Warum?«
    »Im Schlaf verliert man die Kontrolle.«
    Nicht nur unsere Küche wirkte anders als am Tag, auch Mina kam mir völlig verändert vor. Sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem verängstigten, panischen Mädchen, das ich im Garten meiner Mutter gefunden hatte. Nicht nur, dass sie auf einmal redete. Es war verblüffend, wie sie es tat.
    »Das ist doch das Schöne am Schlafen.«
    »Nein. Das ist das Gefährliche daran.«
    Sie blieb bei der Tür stehen. Der ganze Raum lag zwischen uns und im Augenblick war ich froh darüber. Mir wurde schlagartig klar, dass dieses Mädchen eine Wildfremde für uns war.
    »Möchtest du ein Glas Milch, Mina?«
    Sie stieß sich von der Wand ab. »Woher kennst du diesen Namen?«
    Überrascht starrte ich sie an, zumindest das, was ich im Mondlicht von ihr erkennen konnte.
    »Woher?« Sie kam auf mich zu. Ihre Frage klang vorwurfsvoll. Sogar drohend. Als dürfte ich ihren Namen nicht kennen. Als hätte ich ihn unrechtmäßig in Erfahrung gebracht.
    »Du hast ihn uns doch gesagt.«
    »Uns?«
    Allmählich wurde sie mir unheimlich. Machte sie sich über mich lustig oder hatte sie wirklich alles vergessen?
    »Merle und mir. Hör mal, was ist los mit dir?«
    Sie stand jetzt vor mir und starrte mich an. Als sähe sie mich zum ersten Mal. Mit zusammengekniffenen Augen studierte sie mein Gesicht. Mir wurde kalt.
    »Nun bleib mal schön locker«, sagte sie gedehnt.
    Locker! Ich wich einen Schritt zurück. Es gefiel mir nicht, wie sie mich mit ihren Blicken sezierte.
    »Merle«, wiederholte sie nachdenklich.
    Alle Panik war von ihr abgefallen. Sie hatte sich wieder gefangen. Hatten Merle und ich uns das nicht gestern Abend noch gewünscht? Aber nicht so, dachte ich. Nicht so, dass ihre Nähe mir unangenehm ist.
    »Und wer bist du?«, fragte sie.
    Sie erlaubte sich einen Scherz mit mir. Eine andere Erklärung gab es nicht. Ich war aber nicht zum Scherzen aufgelegt.
    »Jette«, sagte ich und tastete nach dem Lichtschalter. »J.E.T.T.E. Okay? Und jetzt hör auf mit diesem Spielchen. Es ist mitten in der Nacht und ich hab keine Lust auf Rätselraten.«
    Sie schnappte sich mein Handgelenk und hielt es fest. »Kein Licht!«
    Ihr Griff war brutal und kräftig. Ich versuchte, mich ihm zu entwinden, aber es gelang mir nicht.
    »Mina! Du tust mir weh!«
    »Entschuldige.« Sie ließ mich los. »Ich ertrage nur in manchen Augenblicken kein Licht.«
    »Magst du nun ein Glas Milch oder nicht?«
    Das war immer das Allheilmittel meiner Mutter gewesen. Kalte Milch. Warme Milch. Milch mit Honig. Je nachdem. Diese Situation schrie nach kalter Milch. Wir hätten sie schnell runterschütten und wieder ins Bett krabbeln können.
    Mina runzelte die Stirn. Wortlos drehte sie sich um und verließ die Küche. Ich hörte, wie sie die Tür von Mikes

Weitere Kostenlose Bücher