Der Scherbensammler
Zimmer hinter sich schloss, und holte erleichtert Luft. Mit zitternden Händen goss ich Milch in einen Topf und stellte ihn auf den Herd.
Wenig später saß ich mit einem dampfenden Becher in der Hand an meinem Schreibtisch und trank die Milch in kleinen Schlucken. Mir war immer noch entsetzlich kalt, und ich begriff nicht, was ich da eben erlebt hatte. Ich wusste nur eins - ich bereute es zutiefst, Mina mit in unsere Wohnung genommen zu haben.
Die Klamotten waren in Ordnung. Sie ließ sie an, obwohl sie sich nicht zum Schlafen eigneten. Auch das Zimmer war okay. Vor allem das riesige Wandgemälde gefiel ihr. Sie liebte Bilder, besonders großformatige. Solche Gemälde waren wie Musik. Sie füllten den Kopf mit Farben, Formen - und mit Ruhe. Es war wundervoll, Ruhe zu spüren.
Sie lag auf dem Bett, die Hände unterm Kopf verschränkt, und schloss die Augen. Die inzwischen nur noch lauwarme Wärmflasche hatte sie zur Seite geschoben, ebenso wie die Bettdecke. Man durfte den Körper nicht verzärteln, wenn man eine Kämpferin sein wollte. Und sie war eine Kämpferin, eine besonders gute sogar. Nicht umsonst hatte sie jahrelang hart dafür trainiert.
Geschmeidig kam sie hoch und glitt lautlos vom Bett. Wenn sie schon wach war, konnte sie gleich ein bisschen Tai Chi machen. Es gab keine bessere Möglichkeit, um Körper und Geist zu stärken. Anschließend würde sie nachdenken. Auf gar keinen Fall durfte sie der Panik erlauben, von ihr Besitz zu ergreifen.
»Ich bin Cleo«, flüsterte sie. »Die Kämpferin. Keiner kriegt mich klein.«
Kapitel 4
Der Name des Toten war Dietmar Kronmeyer. Die alte Kleiderfabrik, in deren Einliegerwohnung er gestorben war, gehörte seit etlichen Jahren einem religiösen Zirkel, der unter dem Namen Wahre Anbeter Gottes bekannt war.
Die Mitglieder dieser Vereinigung waren unbescholtene Bürger, die sich zusammengeschlossen hatten, um gemeinsam ihren Glauben zu leben. Es handelte sich bei ihnen nicht um Angehörige einer obskuren Sekte. Sie alle führten ihr privates, normales Leben in ihren privaten, normalen Wohnungen.
So jedenfalls hatte Max Gaspar es dargestellt. Sichtlich unter Schock stehend, hatte er Berts nächtliche Fragen beantwortet, während seine großen Hände eine graue Baseballkappe abwechselnd zerknautschten und wieder glatt strichen.
Dietmar Kronmeyer war der Kopf der Wahren Anbeter Gottes gewesen und Max Gaspar seine rechte Hand. Zumindest behauptete er das, und es erfüllte ihn offenbar mit Stolz, denn er wies während der Befragung mehrfach darauf hin.
Faktotum, hatte Bert in sein Notizbuch geschrieben. Das schien es eher zu treffen. Max Gaspar war Anfang dreißig. Er wirkte grobschlächtig und ungebildet, und es war etwas an ihm, wovon Bert sich abgestoßen fühlte. Etwas Widersprüchliches. Eine sanfte Brutalität, die man ahnte, jedoch nicht sah.
Nach der Befragung hatte Bert das Bedürfnis gehabt, sich die Hände zu waschen. Doch das hatte er sich verkneifen müssen, solange die Kollegen von der Spurensicherung mit ihrer Arbeit noch nicht fertig gewesen waren. Er hatte die Gummihandschuhe übergestreift und war in die Wohnung im ersten Stock zurückgekehrt. Und hatte sich ganz auf den Toten und den Tatort konzentriert.
»Dieses Haus ist keine Kirche«, erklärte Bert jetzt bei der morgendlichen Besprechung, zu der er unrasiert, aber pünktlich erschienen war, »sondern lediglich ein Ort der Zusammenkunft und gelegentlicher Gottesdienste. Bisher gab es keinen Grund, daran zu zweifeln. Das Gebäude wurde in der Vergangenheit mehrfach überprüft.«
Er rieb sich den schmerzenden Nacken. Nächtliche Einsätze steckte er nicht mehr so einfach weg. Sie fielen ihm immer schwerer.
»Sind diese Leute strafrechtlich schon in Erscheinung getreten?«, fragte der Chef und räkelte sich in seinem knarrenden Ledersessel.
Dass manche Menschen sich aber auch so gar keine Mühe gaben, Klischees zu vermeiden. Warum Leder? Wieso schwarz? Und weshalb musste es überhaupt so ein Riesenteil sein, das einen erwachsenen Mann beinah verschluckte? Selbst den Chef mit seinem beträchtlichen Körperumfang.
»Nein.« Bert setzte sich gerade hin. »Man munkelt, dass es bei dieser Gruppe wohl doch um mehr als den Zusammenschluss praktizierender Christen geht, aber wir konnten ihnen bisher nichts nachweisen. Nach außen hin handelt es sich um ehrbare Bürger, die pünktlich ihre Miete bezahlen, keine Steuern hinterziehen und ihre Kinder nicht misshandeln.«
»Sind … Namen
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