Der Schichtleiter
lustig.
„Aufwachen, Dornröschen“, flötet mir Benny zu und reißt mich aus meinen Erinnerungen.
„Kein schönes Erwachen“, murmle ich.
„Was?“ Benny baut sich vor mir auf und lässt die Muskeln spielen. „Dafür hab ich hart trainiert! Kannst ja mal dein Shirt ausziehen …“
„Oh, habe ich einen wunden Punkt getroffen?“ Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Tut mir leid, wenn du bei mir landen willst, dann brauchst du es eher im Köpfchen.“
„Also kann ich doch noch bei dir landen.“ Benny nickt zufrieden und schiebt den Container zurück auf die Waage.
„Nicht du“, sage ich halbherzig, obwohl ich weiß, dass ich die Auseinandersetzung verloren habe. Und wieder nehme ich mir vor, mich von diesem Blödmann nicht provozieren zu lassen. Warum nur fällt mir das so schwer?
Ich beobachte, wie seine Rückenmuskulatur arbeitet, während er den Container hochpumpt. Das muss ich ihm lassen, er sieht super aus. Aber das bringt ihm bei mir nicht mehr Sympathiepunkte ein, als er bereits verspielt hat. Noch immer spüre ich diese brennende Wut in mir, weil er mich vor Werner bloßgestellt hat. Auch das muss ich ihm lassen: Wenn es um Manipulation geht, ist er wirklich schlau. Plötzlich komme ich mir ziemlich dumm vor, dass ich es nicht schaffe, mich ihm gegenüber durchzusetzen. Bei meiner Mutter ist das schon gnadenlos schiefgegangen – und jetzt hier auf der Arbeit … Das kann echt noch heiter werden. Das kostet gleich noch ein paar Sympathiepunkte. Und ab sofort weiß ich, was meine Aufgabe ist: Ich will Benny Blödmann loswerden, egal, wie tief ich dafür in die Trickkiste greifen muss.
9
The Winner Takes …
Die Wochen vergehen einigermaßen ereignislos. Werner taucht ständig auf und motzt über dies oder das. Einen tatsächlichen Grund hat er allerdings nicht, denn ich arrangiere mich mit Benny so gut es geht. Ohnehin habe ich inzwischen vielmehr den Verdacht, dass Werner sein Büro hauptsächlich für Benny verlässt. Jedes Mal, wenn er uns bei der Arbeit aufsucht, um herumzumeckern, endet seine Tirade mit den Worten: „Aber ihr seid ja Studenten und unser Freund Benny ist auch neu und kann das noch nicht wissen, nicht wahr?“ Und dabei umklammert er diesen Freund und grinst wie ein blödes Pferd. Überhaupt erstaunt mich, dass der Zielke fähig ist, sich einen Namen zu merken. Und dieses penetrante Getatsche! Benny scheint diese Zuneigung aber überraschend wenig auszumachen. Ich dagegen gehe inzwischen schon auf Sicherheitsabstand, sobald Werner auch nur in meine Nähe kommt.
Zu Hause ist alles so langweilig wie immer. Meine Freunde von früher stecken nun allesamt in ihren Ausbildungen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich langsam aber sicher den Draht zu ihnen verliere. Während des Semesters habe ich überhaupt nichts mehr mit ihnen zu tun und auch in den letzten Ferien waren die Kontakte eher spärlich. Jetzt schläft das wohl ganz ein. Und mit Mara läuft auch nichts, weil sie Stress mit ihren Hausarbeiten hat und nebenher ein Praktikum macht.
Damit bin ich schon bei Marco: Irgendwas stimmt nicht. Ich habe ihm seit meiner Ankunft hier gut dreißig SMS geschickt, weil ich ihn vermisse und am liebsten wieder zu ihm zurück will. Aber bislang keinerlei Reaktion. Weder zu Hause geht er ans Telefon noch unterwegs ans Handy. Ich ärgere mich tierisch, dass ich die direkte Durchwahl in sein Büro nicht habe. Zwei Mal hatte ich schon die Sekretärin an der Strippe, die mir versprach, ihm eine Nachricht zu hinterlassen, dass er zurückrufen soll. Immerhin weiß ich damit, dass er zur Arbeit geht und nicht irgendwo tot herumliegt. Hallo? Man macht sich ja schon so seine Gedanken, wenn man in einer Beziehung ist. Inzwischen bin ich echt sauer, weil da nichts kommt. Und da ich ständig auf der Arbeit bin, fällt das mit dem Telefonieren mal zwischendurch ebenso weg. Hier kann ich zwar meine Bücher lesen, aber Handys sind nicht erlaubt. Angeblich, weil manche Geräte dadurch gestört werden könnten. Tatsächlich haben auch fast alle höheren Angestellten einen Pieper dabei und kein Handy. Das ist mir erst jetzt aufgefallen, da ich mir nichts sehnlicher wünsche, als in den Pausen mit Marco zu sprechen. Das Handy mit reinzuschmuggeln ist ja nicht so das Problem, aber Gespräche kann ich hier wirklich nicht führen. Die Anlagen hier sind zwar viel zu alt, als dass Funkverbindungen da wirklich was stören könnten, aber der Zielke geht da nach Vorschrift und nicht nach
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