Der Schichtleiter
…“
Wow, schlaues Kerlchen! Ich ziehe den Reißverschluss hoch und gehe, ohne ihn anzusehen, zum Reinraum.
„Hey! Ignorierst du mich jetzt?“
Blitzmerker!
„Schön, wenn’s dich glücklich macht!“
Total!
„Ich wollte nur sagen: Mach keinen Scheiß mit den Bildern, okay?“
Das bleibt abzuwarten. Ich habe gewonnen. Nur, dass sich der Sieg gar nicht so gut anfühlt, wie ich gehofft hatte. Ich schließe die Schleuse hinter mir und bin kurz darauf im Reinraum. Sofort umfangen mich die merkwürdig sauerstoffarme Luft und die Wärme. Mit aller Kraft zwinge ich mich dazu, nicht zu Benny hinauszusehen. Wenn er reinkommt, okay, wenn er draußen bleibt, noch viel besser.
Grimmig schalte ich die Maschine ein und im Raum beginnt es laut zu dröhnen. Ich nehme eine der vorbereiteten Tonnen mit den Plastiksäcken und stelle sie unter den Trichter. Damit sich das feine Pulver nicht im Stahlrohr verfängt, klopfe ich mit einem Gummihammer leicht gegen das Metall. Krach ist schön, Krach lenkt ab. Bei Krach kann man auch nicht sprechen. Das stelle ich zufrieden fest, als Benny etwas später neben mir steht und hilft.
10
Wer anderen eine Grube …
„Du bist so still.“ Meine Mutter schaut mich fragend an.
„Mmh“, mache ich und rühre weiter in der Suppe herum. Ich hasse Suppe. Bei meiner Mam schmeckt die immer gleich, egal, was es für eine ist. Noch mehr hasse ich allerdings Eintopf. Da ist es ein wahrer Fluch, dass Suppe bei meiner Mutter immer eher ein Eintopf ist, weil sie so gut wie alles reinhaut und zu einer festen Pampe einkochen lässt. Ich mag diese Eintopfkonsistenz nicht – und der Geschmack … heute gibt’s mal wieder das Schlimmste aus beiden Welten.
„Hast du keinen Hunger?“
Ja, das kommt noch obendrauf. Ich zwing mir hier ein paar Löffel aus reiner Höflichkeit rein. Mein Kopf ist derweil ganz woanders. Blöd nur, dass das nicht für meine Zunge gilt. Die bekommt jedes pampige Möhrenstück mit und schickt mir eindeutige Signale ans Hirn: Ausspucken! Sofort! Noch ein Löffel und der nächste Impuls heißt …
„Mir ist schlecht“, sage ich und gebe mir Mühe, tatsächlich schlecht auszusehen. Ich glaube, ich muss mich gar nicht so sehr anstrengen.
„Ach herrje, wieso das denn?“
Meine Mutter, wie immer so praktisch.
„Keine Ahnung. Soll ich meinen Magen mal fragen?“
„Hem-hem.“ Meinem Vater reicht es. Er weiß ganz genau, dass bei solchen sarkastischen Sprüchen nicht selten ein Familienstreit entbrennt.
„Ich weiß es nicht“, sage ich noch mal kleinlaut. „Ich glaube, ich geh heute früh ins Bett.“
„Nur weil du meine Suppe nicht magst, musst du nicht gleich ins Bett gehen …“
„Das ist nett, aber mir ist wirklich schlecht.“
Ich warte nicht auf weitere Antworten, sondern stehe auf und gehe hoch in mein Zimmer. Die Pflichtrunde mit meinen Eltern wäre damit überstanden. Wieder kein Outing. Das wäre für heute allerdings auch echt zu viel. Vielleicht sind meine Eltern auch einfach schon zu alt für einen schwulen Sohn. Oder der Sohn zu feige … Nee, ich hab schlicht andere Probleme.
Etwa eine halbe Stunde lang sitze ich auf dem Bett und starre mein Handy an. Marco Kehlmann , heißt der Kontakt, den ich aufgerufen habe. Klingt das nicht irgendwie komisch? Marco Kehlmann . Nicht Schatz oder mein Freund oder Hase … Ich muss grinsen, weil mir bei Hase sofort Blasehase einfällt. Aber die Sache ist zu ernst, als dass ich mich jetzt wirklich amüsieren kann.
Ich rufe nicht an. Dafür spiele ich noch mal Bennys Strip ab. Verdammt, warum sieht dieses Arschloch denn nur so gut aus? Mit einem Mal fällt mir noch etwas anderes auf. Irgendwie macht es den Eindruck, als würde er absichtlich nicht zu mir gucken. Dafür schaut er zwei Mal recht auffällig in eine Ecke hinter sich. Auf dem Video ist allerdings nichts zu erkennen. Trotzdem komisch. Die ganze Situation war jedoch seltsam. Im Nachhinein werde ich auch noch rot, wenn ich an den Ausgang denke. Ich bin so bescheuert! Warum bin ich ihm nicht einfach ausgewichen? Ich hätte Werner fragen können, ob er mich in eine andere Schicht einteilt. Ist zwar nachvollziehbar, dass sie zwei Werkstudenten als eine richtige Arbeitskraft zählen, aber im Grunde bin ich inzwischen doch ein vollwertiger Arbeiter. Doch was bringt es, jetzt darüber groß nachzudenken?
Ich schaue Benny weiter dabei zu, wie er sich für meine Kamera entblößt. Jetzt habe ich seinen Schwanz mit drauf. Auf dieses Beweismaterial hatte ich
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