Der Schichtleiter
wütend sein und voll dahinter stehen?
Ich drehe mich um und schaue Lukas an. „Wo hast du die Adresse her?“
„Telefonbuch.“
„Und was sagt Mara?“
Lukas zuckt mit den Schultern. „Sie weiß noch nicht, dass ich hier bin.“
„Wie bist du denn drauf?“
„Kurzschlussreaktion …“
Okay, damit kenne ich mich aus. Das ist für mich eine nachvollziehbare Erklärung für alles.
Lukas lehnt sich gegen mich und legt seinen Arm um meine Seite. Ich will ihn schon wegstoßen, doch er fragt vollkommen ernst: „Wie geht’s dir?“
„Ich – ich weiß nicht … Durcheinander. Beschissen auf jeden Fall – eigentlich. Aber – auch wieder nicht …“ Super, ich komme mir völlig bescheuert vor. Lukas nickt allerdings, als hätte ich eine absolut unumstößliche Tatsache von mir gegeben. Zwei plus zwei ist vier – da kann man mit voller Überzeugung zustimmen – aber doch nicht bei dem Käse, den ich da rausstammle! Es sei denn, Lukas kennt das Gefühl …
Ich habe mir noch nie so wirklich Gedanken um Lukas’ Gefühle gemacht. Er ist ja mit Mara zusammen, die wohl inzwischen meine beste Freundin ist. Warum habe ich eigentlich nicht ihr geschrieben? Nur weil sie gerade Stress mit ihren Hausarbeiten und einem Praktikum hat, heißt das doch nicht, dass ich mit solchen Sachen nicht ankommen kann. Stattdessen heule mich bei Lukas aus, von dem ich Abstand halten will. Es ist halt viel einfacher, eben auf antworten zu klicken, anstatt eine neue Mail zu starten. Voll blöd.
Lukas ist nicht schwul – sagt er zumindest –, aber er hat gern schwulen Sex. Weil er den von Mara nicht bekommen kann, versucht er es bei mir. Im Grunde fühle ich mich geschmeichelt. Warum das so wirr ist bei ihm, hab ich mich allerdings nie gefragt. Vielleicht liegt es daran, dass er Polizist ist? Es gibt ja Berufe, da hat man es als Schwuler schon etwas schwieriger – zumindest, wenn alle Bescheid wissen. Möglicherweise ist das so ein Reflex, dass er mit Mara noch das letzte bisschen Glauben aufrecht erhalten will?
„Warum bist du mit Mara zusammen?“, frage ich.
„Warum bist du mit Marco zusammen?“
Damit ist das Gespräch erst mal beendet. Ich möchte jetzt nicht über Liebe reden und noch weniger über meine Verfehlungen.
Ich stehe auf. „Wir müssen das Gästezimmer herrichten.“
„Falsche Frage? Werde ich jetzt aus deinem Zimmer verbannt?“ Er guckt mich mit großen Augen an.
„Danke, dass du hergekommen bist.“ Ich reiche ihm eine Hand und ziehe ihn hoch. „Das ist wirklich nett und ich freu mich auch. Ich bin halt nur – überrascht – und verwirrt …“
„Schon okay, das Gästezimmer.“
Was meine Mutter so herrichten nennt … In anderen Häusern hätte man jetzt erst mal Wäscheständer und viel Krimskrams um- und wegräumen müssen. Bei meinen Eltern ist das Gästezimmer jederzeit vorzeigbar. Okay, hinter dem Schrank stehen zwei Reisekoffer. Wahrscheinlich hätte meine Mutter die gern vorher rausgestellt. Ansonsten steht links neben dem Fenster ein kleiner Schreibtisch mit einem Stuhl davor und auf der rechten Seite hat mein Vater den alten Fernseher platziert. An den Wänden hängen zwei Bilder nach dem Geschmack meiner Eltern – mehr sag ich dazu besser auch nicht.
„Aha, interessant – wo ist das Bett?“ Lukas schaut mich irritiert an.
Ich lache. „Du musst auf dem Boden schlafen. Meine Mutter ist dermaßen gastfreundlich, dass mein Vater entschieden hat, irgendwo einen Schlussstrich zu ziehen.“
„Ha-ha …“
„Na gut, hätte ja sein können, dass du es mir abnimmst.“ Ich gehe zum Schrank und klappe das Bett herunter.
„Ein Schrankbett …“
„Du klingst aber nicht gerade begeistert.“
„Meine Großeltern hatten früher eins und ich hatte als Kind immer Angst, dass es im Schlaf hochklappt und ich dann kopfüber im Schrank eingesperrt bin.“
Fein, ich wollte doch etwas über Lukas’ Psyche erfahren. Das ist schon mal ein Anfang.
„Glaub mir, das Bett klappt garantiert nicht hoch, wenn da erst ein ausgewachsener Muskelprotz drin liegt …“
Lukas lächelt schüchtern. Ich ärgere mich auch gleich, dass ich mich zu dieser Aussage und einem wahrscheinlich bewundernden Blick hab hinreißen lassen. Aber Lukas hat natürlich eins seiner Muscleshirts an und … Ach, besser nicht drüber nachdenken!
„Wird schon alles gutgehen!“ Ich löse die Gurte und schüttle die Bettdecke und das Kopfkissen aus. Dann hole ich Bettwäsche aus dem Schrank. Meine Mutter mag es nicht,
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