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Der Schichtleiter

Titel: Der Schichtleiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Seinfried
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Mara hab. Ich weiß, eigentlich sollte ich erst am Wochenende kommen, aber …“
    Ich brauche ein paar Sekunden, um das Gehörte zu verarbeiten. Natürlich, ich habe Lukas eine Mail geschrieben, ein Fehler. Aber ich habe ihn ganz bestimmt nicht eingeladen. Also wird das die Story sein, die er meiner Mutter erzählt hat, um sein Auftauchen hier zu erklären. Und die Anspielung auf die Beziehungsprobleme mit Mara – sicher soll das heißen, dass er wegen meiner emotionalen Mail bezüglich Marco hergefahren ist … Woher hat der Kerl nur meine Adresse? Verdammt, wieso habe ich ihm überhaupt gemailt?
    „Ähm – ja, ist nicht so – schlimm …“ Fast hätte ich schön gesagt, weil es gerade eher nicht so schön ist, dass ich jetzt auch noch Lukas an der Backe hab.
    „Das ist gar kein bisschen schlimm“, korrigiert meine Mutter meinen gebremsten Enthusiasmus. „Finn hat uns zwar nicht Bescheid gegeben, aber ich mache gleich das Gästezimmer fertig und …“
    „Mam!“, unterbreche ich meine Mutter. In einem ersten Impuls will ich die Übernachtungsaktion freundlich abbrechen. Alles nur ein Missverständnis, Lukas fährt heute wieder nach Hause, weil er ja schließlich arbeiten muss …
    „Was ist eigentlich mit deiner Arbeit?“, frage ich an Lukas gewandt.
    „Ich habe mir zwei Wochen freigenommen. Hatte eh noch viele Überstunden.“
    Ich überlege krampfhaft, wie ich ihn aus dem Haus bekomme. Aber – eigentlich ist es ja auch total lieb von ihm, dass er extra die ganze Strecke bis zu meinen Eltern fährt, nur weil ich mich in einem schwachen Moment mal ausgeheult habe.
    „Gut.“ Ich nicke. Dann wende ich mich an meine Eltern. „Tut mir leid, ich wollte euch natürlich erst fragen. Ich hab halt – noch nicht mit Lukas gerechnet.“
    Lukas wirft mir einen dankbaren Blick zu. Lustig. Er kommt her, weil ich ein Problem habe und nun ist er mir dankbar, dass ich ihn nicht abweise. Na ja, wahrscheinlich gilt die Dankbarkeit eher der Tatsache, dass ich ihn vor meinen Eltern nicht auffliegen lasse …
    „Macht doch nichts!“ Meine Mutter strahlt übers ganze Gesicht. Die freut sich echt über jeden Besuch. Ich will nur hoffen, dass sie sich auch noch freut, wenn sie erfährt, dass alle potentiellen Gäste in letzter Zeit schwul sind und es auf ihren ebenfalls schwulen Sohn abgesehen haben. Obwohl, ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei meiner Mutter wirklich viel ändern würde – na ja, vielleicht ein kleines bisschen. Gibt’s halt weder Suppe noch Eintopf zu Mittag, sondern Pasta und Pesto.
    „Demnächst darfst du uns trotzdem gern früher Bescheid sagen“, grummelt mein Vater. Etwas widerstrebend reicht er Lukas die Hand. „Falkner. Schön, Sie kennenzulernen. Sie sind ein Studienfreund meines Sohnes?“
    „Ich bin Lukas. Tut mir wirklich leid, dass ich so unangemeldet …“
    „Ach, das macht doch nichts!“, unterbricht meine Mutter wieder und stößt meinen Vater in die Seite. „Wir haben so selten Besuch, wir freuen uns, wenn mal etwas Leben ins Haus kommt, nicht wahr?“
    „Lukas ist einer meiner Mitbewohner“, erkläre ich, um die Frage meines Vaters zu beantworten. Dann an meine Mutter gerichtet: „Das mit dem Gästezimmer kriegen wir auch selbst hin. Lukas ist da nicht so anspruchsvoll.“
    „Aber …“
    „Kommst du, Lukas?“ Ich warte gar nicht erst ab, was meine Mutter wieder für Einwände hat und spurte die Treppe hinauf.
    In meinem Zimmer lasse ich mich aufs Bett fallen und drücke mein Gesicht ins Kopfkissen. Warum? Warum? Warum? Ich bekomm die Frage nicht mehr aus dem Kopf. Am liebsten würde ich jetzt liegen bleiben und – einfach nur liegen bleiben.
    Ich höre, wie die Zimmertür geschlossen wird und sich jemand anschleicht. Ich rühre mich kein Stück. Irgendwann drückt sich die Matratze neben mir nach unten und ich spüre Lukas’ warmen Körper. Ich denke gar nicht daran, ihm Platz zu machen. Was denkt der sich eigentlich, hier aufzuschlagen und meinen Eltern Märchen zu erzählen?
    „Deine Mail …“ Lukas räuspert sich. „Das kam so verzweifelt rüber. Ich wollte …“
    Ich antworte nicht. Soll er sich doch mit Erklärungen abmühen, ich bin trotzdem sauer. Auch wenn sich ein Teil in mir tierisch freut und ich im Grunde total dankbar bin. Wenn Lukas hier ist, kann ich wenigstens mit jemandem reden, auch wenn das alles vielleicht noch komplizierter macht. Aber ich bin nicht mehr allein.
    Ach, immer dieser Scheiß mit den zwei Seiten! Kann ich nicht einmal nur

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