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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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doch küssen, nur nicht auf den Mund.«
    »Du weißt genau, was ich meine.«
    April setzte sich auf und lehnte sich gegen das Kopfteil des Bettes.
    »Ich wollte nicht vor den anderen damit anfangen, Gabe, aber …«
    »Sehe ich sehr schlimm aus?«
    Sie war froh, dass sie es nicht selbst auszusprechen brauchte. Gabes dunkles Haar saß wie gewohnt tadellos, seine Haut war perfekt, wie es sich für einen Vampir gehörte, und trotzdem wirkte er mitgenommen. Seine Augen schimmerten zwar in ihrem gewohnt tiefen Dunkelblau, nur das verschmitzte Funkeln fehlte.
    »Ich fühle mich, als hätte ich seit Tagen nicht mehr geschlafen«, gestand er leise. »Besser gesagt, wann immer ich die Augen schließe …«
    »Schlechte Träume?«, fragte sie und strich ihm behutsam über die Wange.
    Er nickte. »Und es wird immer schlimmer. Es ist fast, als …«
    »Was, Liebling? Sag es mir. Du kannst mir alles sagen, das weißt du doch.«
    Er seufzte tief, während er den Blick auf einen Punkt am anderen Ende des Raums richtete.
    »Es ist fast, als wären es gar keine Träume.«
    Er wirkte so niedergeschlagen, dass April ihn am liebsten in die Arme genommen und fest an sich gedrückt hätte.
    »Was dann?«
    »Sondern Erinnerungen.«
    April schluckte.
    »Erinnerungen woran?«, fragte sie, obwohl sie nicht sicher war, ob sie die Antwort wirklich hören wollte.
    »An schlimme Dinge. An Blut. Und an den Tod.«
    Ihr Magen fühlte sich an, als hätte sie eine Handvoll Glasscherben verschluckt. Sie wusste, was er damit andeuten wollte – es war genau so, wie Jessica vermutet hatte. Er wurde von schweren Gewissensbissen heimgesucht, wegen Isabelle und all der anderen Todesfälle, die er nicht hatte verhindern können. Und nun quälte er sich mit der Frage, was während seiner Blackouts passiert sein könnte. Mit der Frage, ob er jemanden getötet hatte und sich nicht mehr daran erinnern konnte. Sie spürte, wie ihr das Herz vor Angst bis zum Hals schlug.
    »Du weißt doch gar nicht, ob es tatsächlich Erinnerungen sind, Gabe«, sagte sie und registrierte bestürzt den Anflug von Verzweiflung in ihrer Stimme.
    »Kann sein …«, sagte er. »Vielleicht sind es ja tatsächlich bloß Träume.«
    Sie schlang ihm die Arme um den Hals und zog ihn an sich.
    »Es sind nur schlechte Träume«, flüsterte sie und wünschte, sie könnte es tatsächlich glauben. »Nur schlechte Träume, ganz bestimmt.«

Zwölftes Kapitel

    S ie stürmte den Korridor entlang in Richtung Eingang, in der Hoffnung, dass sie nicht zu spät dran war.
    Verdammte Miss Marsh , dachte sie. Wieso müssen sich Lehrer auch unbedingt in alles einmischen?
    Sie bog um eine Ecke, wobei sie ein Mädchen über den Haufen rannte, das ihr entgegenkam. Prompt landeten beide auf dem Hinterteil, wobei die Bücher des Mädchens quer über den Boden schlitterten.
    »Tut mir leid«, sagte April, rappelte sich auf und stürmte weiter in Richtung Haupteingang. »Ich hab’s eilig.«
    Aprils Plan war denkbar einfach gewesen: Die Geschichtsstunde absitzen, aus dem Klassenzimmer stürmen, sobald es läutete, und versuchen, den Rektor zu erwischen, wenn er in den Wagen stieg. Sie hatte sich vorgenommen, Dr. Tame in eine geistreiche Unterhaltung über die Schule zu verstricken, sich bei ihm einzuschmeicheln, indem sie ihn noch einmal für den genialen Schachzug lobte, sie als die Schulsprecherin einzusetzen, um sich eine gute PR für Ravenwood zu verschaffen, und ihm anschließend so geschickt den Vorschlag für ein Treffen mit einem lokalen Politiker unterzujubeln, dass er ihn für seine eigene Idee hielt. Leider war ihr Plan nicht aufgegangen.
    Miss Marsh, offenbar noch sorgsam darauf bedacht, es als neue Lehrerin allen an der Schule recht zu machen, hatte sie zurückgepfiffen. Statt der erwarteten »Meine Tür steht dir immer offen«-Ansage hatte Miss Marsh leicht verlegen erklärt, Dr. Tame habe sie gebeten, April ein wenig mehr Unterstützung im Unterricht zukommen zu lassen. April hatte ihre Bitte, Tame möge ihr zu einer Vorzugsbehandlung verhelfen, längst wieder vergessen. Sie hatte genickt, irgendetwas von wegen einer »wichtigen PR -Angelegenheit« gemurmelt und die Kurve gekratzt.
    Aber sie war zu langsam. Nur wenige Meter trennten sie noch von der Eingangstür, als ein Grüppchen Mädchen, angeführt von Chessy, aus der Damentoilette trat. Mist.
    »Oh, hallo, Miss Schulsprecherin«, begrüßte Chessy sie feixend. »Wie geht’s?«
    »Danke, gut«, antwortete April und bemühte sich, nicht zu

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