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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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Aber hierzubleiben und weiterzumachen, das ist verdammt hart. All die Leute, die man zurücklässt, deren Herz man gebrochen hat, und die sich Tag und Nacht fragen, ob sie es irgendwie hätten verhindern können … sie sind diejenigen, die Höllenqualen leiden.«
    »Na und? Was kümmert mich das?«, gab Simon zurück. »Ich war ihnen doch auch immer egal.«
    »Schwachsinn!«, schnauzte April, deren Wut allmählich wieder anschwoll. »Willst du unbedingt noch eine Ohrfeige? Mir bist du wichtig, und Caro auch – falls du dir jemals die Zeit nehmen solltest, es zu bemerken. Wir waren deine Freunde, echte Freunde.«
    »Ich brauche keine Freunde, sondern ein Ziel«, schnauzte er sie mit glitzernden Augen an. »Ich will dazugehören, Teil von etwas sein. Spürst du sie denn nicht, diese neue Bewegung, April? Wir haben die Chance, Teil einer wunderbaren neuen Welt zu werden.«
    »Herrgott noch mal!«, schrie April. »Du solltest dich mal reden hören. Du klingst ja schon wie einer dieser durchgeknallten Religionsfanatiker, die von Haus zu Haus gehen und die du früher immer ausgelacht hast.«
    Sie packte sein Handgelenk und drehte es um, sodass die winzigen Narben zum Vorschein kamen. Narben vom Trinken, genau dieselben wie bei Ling, damals, als April sie weinend auf der Schultoilette gefunden hatte.
    »Du willst also Teil dieser wunderbaren neuen Welt sein, ja? Obwohl du genau weißt, wie diese Leute – diese Kreaturen – sind?«
    »Sie verstehen mich«, erklärte er mürrisch und riss seinen Arm weg. »Sie wissen, was ich will. Und sie geben es mir.«
    »Und was soll das sein? Alkohol? Drogen? Sex?«
    Wieder erschien dieses widerliche Lächeln auf seinen Zügen.
    »Das ist zumindest mal ein Anfang.«
    »Verdammt, Simon, und das genügt dir?«
    »Ich verdiene …« Er unterbrach sich, doch April wusste genau, was ihm auf der Zunge gelegen hatte. Ich verdiene sowieso nichts Besseres , hatte er sagen wollen. Gott, diese Vampire waren unglaublich gerissen. Wie jedes Raubtier auf der Welt verstanden auch sie es instinktiv, das schwächste Glied einer Gruppe von den stärkeren zu trennen, indem sie seine Defizite gezielt ausnutzten: Einsamkeit, Selbstzweifel, Gier. Und in Simon hatten sie einen perfekten Kandidaten gefunden. Er war ein Superhirn mit einem einzigen Makel: seinem Mangel an Selbstwertgefühl. Er musste gewusst haben, was er Caro bedeutete, und trotzdem hatte er das Gefühl gehabt, eine so bedingungslose Liebe wie ihre nicht zu verdienen. April kannte ihn nicht gut genug, um beurteilen zu können, wie er auf diese Idee kam, und vermutlich spielte es keine Rolle. Wie auch immer die Blutsauger es angestellt haben mochten – sie hatten ihn am Haken und auf ihre Seite gezogen.
    »Simon«, sagte April ruhig und sah ihn mit ernster Miene an. »Du wirst geliebt. Du hast Freunde. Und ich bin sicher, dass du das tief im Innern auch weißt. Und genauso sicher bin ich, dass dir klar ist, wie du enden wirst, wenn du so« – sie deutete auf seine Narben – »weitermachst.«
    Sie kam auf die Füße – mit ihren hohen Absätzen ein reichlich schwieriges Unterfangen – und strich ihr Kleid glatt. »Du kannst jederzeit zurückkommen. Wir werden da sein, was auch passiert. Und ich glaube, das weißt du.«
    Sie ging davon, in der Gewissheit, dass damit alles gesagt war.
    »Was war das denn?«, fragte Caro und trat neben sie, als sie den Weg zurück zum Pool einschlug. »Was hast du ihm gesagt?«
    April verzog das Gesicht.
    »Ich habe die Furie in mir herausgelassen, dann habe ich ihm ein paar Dinge über die Blutsauger erklärt, und am Ende habe ich ihm erzählt, dass du in ihn verliebt warst.«
    Caro fiel die Kinnlade herunter.
    »Das ist nicht dein Ernst.«
    April lächelte. »Nicht ganz, aber vielleicht hätte ich es ihm sagen sollen. Tut mir leid, Caro, ich wollte ihm ein bisschen Vernunft einbläuen und ihn aus dieser Lethargie reißen, in die er neuerdings verfallen ist. Allerdings bin ich nicht sicher, ob es mir gelungen ist.«
    Caro berührte ihren Arm.
    »Immerhin hast du es versucht«, sagte sie. »Das ist das Allerwichtigste. Danke, April, eine bessere Freundin als dich kann man gar nicht haben.«
    April wandte sich zur Bar um, an der Simon nun wieder lehnte.
    »Wie gesagt, ich bin nicht sicher, ob es ausgereicht hat.«
    Sie nahmen sich ein Bier aus der Kühltruhe neben dem Pool, setzten sich auf ein paar Kissen und blickten gedankenverloren auf die reglose Wasseroberfläche, während sich rings um sie das Wummern

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