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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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Ding. Was sollen wir deiner Meinung nach tun? Ihm einen Sack über den Kopf stülpen und ihn entführen? Was sollte das bringen, wenn er nicht die geringste Lust hat, sich nicht länger mit ihnen abzugeben? Er ist weg, April, verloren!«
    Wieder sah April zu Simon hinüber und musste zugeben, dass Caro nicht ganz unrecht hatte. Simon war schon immer ein Partyhengst gewesen, immer bereit, das Leben von der positiven Seite zu sehen, wenn auch mit seiner ganz eigenen ironischen Note. Er hatte Musik und Klamotten gemocht, und auch Caro hatte er sehr gemocht, daran bestand für April kein Zweifel. Doch nun wirkte er wie eine leere Hülle, von innen heraus komplett ausgebrannt.
    »Gib’s zu, April. Er ist einer von ihnen, auch wenn sie ihn noch nicht verwandelt haben«, fügte Caro hinzu.
    »Ach, pfeif drauf.« Entschlossen schob sie sich durch das Partyvolk und marschierte geradewegs auf ihn zu.
    »Simon!«, rief sie über das Wummern der Bässe hinweg und zupfte ihn am Ärmel.
    Wie in Zeitlupe wandte er sich um. Einen Moment lang schien er Mühe zu haben, sie zu erkennen, doch dann verzog sich sein Gesicht zu einem angedeuteten Lächeln.
    »Hey, April«, sagte er und strich ihr über die Wange. »Wie geht’s dir so? Willst du was trinken! Ist alles kostenlos. Glaube ich zumindest. Wenn nicht, bin ich geliefert.« Er gab ein pfeifendes Lachen von sich, das jedoch schnell wieder verstummte.
    »Ich habe schon einen Cocktail, danke«, sagte April. »Können wir irgendwo in Ruhe reden?«
    Simon kniff ein Auge zu und sah sie an.
    »Wieso können wir nicht hierbleiben?«, nuschelte er mit einer vagen Handbewegung um sich herum. »Ich hab hier alles, was ich brauche. Was zu trinken, Musik und … Nüsse.« Er wandte sich zur Bar um. »Vorhin gab’s hier noch Nüsse.«
    »Du kannst ja gleich zurückkommen und welche essen. Aber jetzt muss ich etwas mit dir besprechen.«
    Sie packte ihn, zerrte ihn von der Bar weg, ohne auf seinen Protest einzugehen, und zog ihn hinter sich her in Richtung Haus.
    »Hey!«, rief er und schwenkte sein leeres Glas. »Was soll denn das? Ich verschütte ja alles!«
    »So? Dann nimm eben meinen.« April schüttete ihm den Inhalt ihres Cocktails ins Gesicht.
    Simon schlug sich die Hände vors Gesicht und ließ dabei sein Glas fallen, dann taumelte er ein paar Schritte rückwärts, knallte mit dem Hinterkopf gegen eine Steinmauer und glitt zu Boden.
    »Hey, was soll das?«, jammerte er und rieb sich den Hinterkopf. »Mein Hemd ist klatschnass!«
    April ging neben ihm auf die Knie und sah ihn an.
    »Ein nasses Hemd ist noch deine geringste Sorge, wenn du nicht endlich nüchtern wirst, Simon«, spie sie ihm mit kalter Stimme entgegen.
    »Ich hab doch nur ein paar Drinks intus«, sagte er trotzig.
    »Ich rede nicht vom Alkohol, du Idiot!«, schrie sie. »Sondern davon, was du hier treibst. Willst du so enden wie Layla?«
    Beim Klang ihres Namens zuckte Simon zusammen, kreuzte trotzig die Arme vor der Brust und starrte April wütend an. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Oh doch, das weißt du sogar ganz genau. Du weißt genau, was ich damit meine. Wenn du so weitermachst, wirst auch du sterben. Kapierst du das, Simon? Sterben!«
    Wieder trat dieses kalte Grinsen auf seine Züge.
    »Und, wäre das so schrecklich?«
    April holte aus und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, ehe sie seine Schulter packte und fest zudrückte. »Wenn du noch ein einziges Mal so etwas sagst, bringe ich dich eigenhändig um.«
    Er starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an. Allem Anschein nach hatte sich ihr Wunsch, er möge wieder nüchtern werden, schlagartig erfüllt, und mit einem Mal schlug ihre Wut in Mitleid um. Sie ließ den Atem entweichen, setzte sich neben ihn und zog ihr Kleid über ihre Oberschenkel.
    »Mein Vater ist in meinen Armen gestorben«, sagte sie leise. »Ich war dabei, als Miss Holden getötet wurde. Und Benjamin. Mit dem Tod kenne ich mich inzwischen ziemlich gut aus, Simon. Er ist hässlich und brutal und nicht einmal ein Fünkchen romantisch. Der Tod ist nicht poetisch, edel oder cool. Er ist einfach nur … grauenhaft.«
    Sie starrte ihn durchdringend an.
    »Und weißt du, was der Tod noch ist? Er ist egoistisch. Bei einem Überfall oder einem Brand trompeten die Leute irgendwelche heldenhafte Sprüche hinaus – ›Lauf! Ich halte sie auf, bringt euch in Sicherheit‹ und all dieser Mist. Aber das war’s für sie. Game over, aus und vorbei. Das ist einfach. Sterben ist nicht schwer, Simon.

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