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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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die Menschen Notiz von ihm nahmen.
    »Und was hast du herausgefunden?«
    »Na ja, Parlamentsmitglieder müssen ja bei Amtsantritt ihre Einnahmequellen wie beispielsweise Unternehmensbeteiligungen und solche Dinge offenlegen. Rate mal, wo David Harper seine Finger drin hatte?«
    »Ravenwood?«
    »Fast. Der ehrwürdige Parlamentsabgeordnete David Harper hat einen Posten als nicht geschäftsführender Direktor von Agropharm International inne. Besser gesagt, er hatte ihn – vor sechs Monaten, direkt nach seiner Wahl, hat er ihn aufgegeben.«
    »Das gibt’s doch nicht! Das heißt, er steckt mit den Verschwörern unter einer Decke.«
    »Moment, Moment, nicht so schnell«, warf Fiona ein. »Die Versuchung, diesen Rückschluss zu ziehen, ist zwar groß, das muss ich zugeben, aber leider ist Agropharm ein riesiger Konzern mit hunderttausend Aktionären und Hunderten Direktoren in unterschiedlichen Gremien. Es ist nicht weiter ungewöhnlich in dieser Branche, dass Politiker oder Regierungsmitglieder in den Vorständen sitzen, um bei Planungsfragen zu helfen.«
    »Aber?«
    »Aber zumindest sagt uns das, dass David Harper sich in denselben Kreisen bewegt wie Nicholas Osbourne, außerdem wissen wir, dass er zu den Männern gehört, die für eine kleine Verschwörung sicherlich zu haben sind – sofern genug Geld für ihn herausspringt.«
    »Oder Macht«, warf April ein.
    »Genau. Oder Macht.«
    Schon als April die Treppe herunterkam, hörte sie ihren Großvater in seinem Arbeitszimmer in den Telefonhörer schreien.
    »Was wollen Sie damit sagen? Dass ich kein Recht auf Schutz habe?«, brüllte er. »Ich muss Sie hoffentlich nicht daran erinnern, dass ich das Opfer hier bin.«
    Solange Grandpa sich im Kampfhundmodus befand, war es sicherlich klüger, ihm aus dem Weg zu gehen, deshalb schlug sie den Weg in die Küche ein, wo ihr bereits der Duft nach Kaffee und frischem Toast entgegenwehte. Als sie die Eingangshalle durchquerte, läutete es an der Tür. Sie hörte ihren Großvater fluchen, dann knallte er den Hörer auf und kam in die Halle gestapft.
    »Oh, Prinzessin«, sagte er. »Du bleibst besser von der Tür weg. Wenn ich einen dieser verdammten Fernsehtypen sehe, nehme ich seine Kamera und schiebe sie ihm in den …« Er öffnete die Tür. Augenblicklich erhellten sich seine Züge. »Ah, Peter, mein alter Freund. Bitte, komm doch herein.«
    Zu ihrer Verblüffung trat Peter Noble herein.
    »Onkel Peter? Ich wusste ja gar nicht, dass du kommst.«
    Peter warf Thomas einen Blick zu, den dieser mit einem verlegenen Lächeln quittierte.
    »Tut mir leid, Prinzessin«, sagte er. »Ich habe ihn angerufen und gebeten, herzukommen. Ich …«
    »Ich bin wohl das, was man in dieser Situation als das ›geringere Übel‹ bezeichnet«, erklärte Peter. »Deinem Großvater ist klar geworden, dass du mit irgendjemand von der Presse reden musst, sonst werden sie dich nie in Ruhe lassen. Deshalb hat er mich angerufen. Er meinte, wir beide könnten uns auf dem Weg zur Schule ein bisschen unterhalten. Wie klingt das?«
    Schrecklich, dachte April. Sie wollte mit niemandem über Calvin Temple reden, nie mehr, und schon gar nicht sollten Tausende und Abertausende beim Frühstück lesen, was sie zu seinem grauenhaften Tod zu sagen hatte.
    »Keine Sorge«, meinte Peter. »Ich werde dich mit Samthandschuhen anfassen. Außerdem habe ich schon eine Strategie, wie wir dich aus dem Haus bekommen.«
    Peters Plan funktionierte tatsächlich ziemlich gut. Er hatte seinen Wagen vor dem Haus geparkt und ging hinaus, um mit den Fotografen und Reportern zu reden. Wenn der Herausgeber einer landesweiten Zeitung einen bittet, in die andere Richtung zu sehen, leisten wahrscheinlich selbst die abgebrühtesten Schreiberlinge Folge. Jedenfalls war die Straße leer, als April nervös vors Haus trat – sorgsam darauf bedacht, nicht zum Tor hinüberzusehen – und eilig in Peters Wagen stieg.
    »Was hast du zu ihnen gesagt?«, fragte sie und blickte aus dem rückwärtigen Fenster, als Peter losfuhr.
    »Als Journalist braucht man nicht viele Fähigkeiten zu haben, eines muss man allerdings können: anderen mit bierernster Miene eine Lüge auftischen.«
    Schweigend lenkte Peter den Wagen durch den morgendlichen Berufsverkehr. Dies war das erste Mal, dass April mit dem Wagen zur Schule gebracht wurde, und es war völlig anders als in der U-Bahn. Dort herrschte zwar oft brüllende Hitze und dichtes Gedrängel, aber zumindest hatte man halbwegs seine Ruhe. In der U-Bahn

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