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Der schlafende Gott

Der schlafende Gott

Titel: Der schlafende Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesco von Puttkamer
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Mutanten auf allen Seiten, und ihre leicht gelbliche Färbung ließ seinen nackten Körper in der Farbe reinen Goldes erscheinen.
    Chester Clayton King sah auf den ersten Blick wie ein Mensch aus, und nur die Größe seines Kopfes unterschied ihn äußerlich vom Bild eines Menschen. Er war ein schlanker, junger Mann von scheinbar zerbrechlichen Körperbau. Wie Matchett wußte, stand er im achtzehnten Lebensjahr, als man ihn in den Tank eingeschlossen hatte, und obwohl zweihundert Jahre seit jener Zeit verstrichen waren, sah er auch jetzt noch keine Spur älter aus.
    Auf der Suche nach einer Verlängerung der Lebensspanne waren die Forscher schon frühzeitig auf die Technik des Kälteschlafs gestoßen, die in der Hypothermie – der begrenzten Unterkühlung des Körpers für chirurgische Zwecke – ihren Anfang genommen hatte.
    Durch Verwendung von flüssigem Helium, starken Magnetfeldern und der weiterentwickelten DMSO-Flüssigkeit im Blutkreislauf konnte ein menschlicher Körper so stark unterkühlt werden, daß der Lebensfunke in ihm buchstäblich suspendiert wurde. Der Betreffende »schlief« – mit stillstehenden Metabolismus und ohne Alterungsprozesse. Es bestand auch heute noch keine Aussicht, daß die Möglichkeit eines ewigen Lebens jemals auf anderem Weg erlangt werden konnte, als auf dem des suspendierten Lebendigseins, bei dem die Unsterblichkeit mit ewiger Kerkerhaft in traumloser Nacht erkauft werden mußte.
    Chester Clayton King und sein Bruder hatten die Kerkerhaft auf sich genommen, um der Menschheit erhalten zu bleiben und eine Zeit abzuwarten, in der sie nicht mehr als Außenseiter dastehen würden. Denn eines sehr fernen Tages mußten auch die Menschen in das Stadium eintreten, in der sie zu höheren Denkprozessen fähig wurden. Matchett bezweifelte jedoch nicht, daß dieser Tag noch undenkbar weit in der Zukunft lag.
    Nachdenklich blickte er auf den schlafenden Mutanten hinunter. Sein riesenhafter Schädel beherbergte ein Gehirn, das die zweieinhalbfache Größe eines menschlichen Gehirns hatte und in Dimensionen denken konnte, die die eines Gottes sein mußten. Kein einziges Haar wuchs auf diesem mächtigen, glatten, makellosen Schädel, unter dem das Gesicht des Mutanten wie das eines Zwerges erschien.
    Ein kalter Schauer überlief Matchett, als er sich fragte, was in diesem Augenblick wohl in dem Schläfer vorgehen mochte. Es hatte sich gezeigt, daß die Denkprozesse und das Bewußtsein des Mutanten selbst in der Leblosigkeit des Cryoschlafs nicht zum Erliegen kamen. Die Wissenschaftler, die das Phänomen jahrelang studiert hatten, betrachteten diese Tatsache als wichtigen Hinweis auf die Möglichkeit, daß die Denkvorgänge der Mutanten im Gegensatz zu denen der Menschen keine eigentlich organischen Prozesse waren. Die Unterkühlung schaltete nahezu alle organischen Prozesse und fast jeglichen organischen Metabolismus und damit auch den Zerfall aus … und doch dachten die King-Zwillinge!
    Douglas Matchett fühlte wieder die Unruhe in sich aufsteigen. Gewaltsam riß er sich zusammen und nahm einen magnetischen Spezialschlüssel aus der Tasche. Er schob ihn in eine dafür vorgesehene Öffnung im Kommunikatormechanismus und warf einen Blick auf das Mikrophon, das sich auf seinem biegsamen »Hals« selbsttätig auf ihn richtete.
    Mit ruhiger Stimme sprach er herein.
    »Chester, hörst du mich? Hier ist Matchett.«
    Mehrere Sekunden verstrichen, während er gespannt lauschte. Doch nichts rührte sich. Der Mutant lag reglos in seiner Kapsel.
    Matchett wiederholte:
    »Chet, hörst du mich? Hier ist Matchett.«
    Urplötzlich war eine Stimme im Raum.
    »Natürlich höre ich dich, Doug. Was kann ich für dich tun?«
    Der Körper des Mutanten lag nach wie vor leblos, mit geschlossenen Augen, im Tank. Nichts an seinem Äußeren ließ erkennen, daß er es war, der gesprochen hatte. Und doch wußte Matchett, daß es seine ureigene Stimme war, – eine mechanische Stimme zwar, die durch einen Synvox-Sprachgenerator gebildet wurde, aber der Sprachgenerator selbst wurde von elektrischen Impulsen aktiviert, die aus einem Gedankenmodem kamen. Diese Vorrichtung war von den King-Zwillingen selbst entworfen worden. Sie unterhielt eine Verbindung zum Bewußtsein des »schlafenden« Gottes und konnte seine Gedanken in Impulse umwandeln und umgekehrt. Im Grunde war es eine Art mechanisch bewerkstelligte Telepathie zwischen einem Super-Telepathen und nicht-telepathischen Menschen.
    Wieder sprach der Mutant.

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