Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schlafende Gott

Der schlafende Gott

Titel: Der schlafende Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesco von Puttkamer
Vom Netzwerk:
Eintritt in den Spiralnebel hatte die fremde Sonne sichtlich an Größe gewonnen. Matchett, der aus der abgeriegelten Sektion heraufkam und in die Bibliothek trat, um die neueste Ausgabe der Schiffszeitung »Delta-V« in Ruhe lesen zu können, sah sie bereits als gigantischen blau-weißen Ball auf dem Kommunikatorschirm des Lesesaals, der von einem aufmerksamen Angestellten auf die großen Sichtplatten der Kommandobrücke eingestellt worden war.
    Matchett stellte bei sich fest, daß noch mehrere Stunden vergehen würden, bis die Sonne auf planetarische Entfernungen herangerückt war, und vertiefte sich alsbald in die Zeitung.
    Ihr Inhalt bestand aus einer geschickt abgewogenen Mischung von Glossen und ernsthaften Artikeln und war sowohl auf die Ansprüche der Bordwissenschaftler und ihrer Familien, als auch auf die Bedürfnisse der Bordschutzsoldaten zugeschnitten.
    Matchett überflog den ausgezeichnet geschriebenen Leitartikel, der die Begegnung mit dem fremden Sternenschiff aufgriff und vage Vermutungen über die kryptischen Bemerkungen des schlafenden Gottes anstellte. Offenbar hatte der Schiffscomputer noch keinerlei diesbezügliche Hinweise gegeben – wenn er tatsächlich darüber verfügte. Dann vertiefte er sich in die Seite mit den Comic-strips, in denen die phantastischen Abenteuer eines fiktiven Raumschiffskapitäns, seinen vulkanischen Wissenschaftsoffiziers und ihrer Besatzung in fernen Sonnensystemen abgebildet waren. Da sie stets mit geistreichen, satirischen Anspielungen auf tatsächliche Vorkommnisse an Bord der TELLUS gespickt waren, erfreuten sie sich unter den Expeditionsteilnehmern großer Beliebtheit.
    Matchett las den neuesten Witz des Tages und lächelte belustigt, als er feststellte, daß er in Wirklichkeit schon uralt war und nur in neuem Kleid erschien. Er spielte auf ein sehr populäres Thema an: Wie man als Junggeselle oder Junggesellin an Bord der TELLUS am besten die Bekanntschaft des anderen Geschlechts machen konnte. Traditionell wurde ein derartiger Versuch als erfolgreich angesehen, wenn die beiden Expeditionsteilnehmer sich offiziell als »Partner auf Zeit« erklärten und ein gemeinsames Quartier bezogen. Ob seine keimende Freundschaft mit Ursula sich so weit entwickeln würde? Er hatte sich in den vergangenen Monaten mehrmals mit ihr getroffen – oft genug, um zu erkennen, daß sie an ihm ebenso viel Gefallen fand, wie er an ihr.
    Matchett überflog die Programmankündigungen der fünf holosensorischen Bordkinos und die zahlreichen Kleinanzeigen. Die Kritik über die kürzlich erfolgte Premiere des Laienspieltheaters interessierte ihn weniger, hingegen erregte ein Artikel seine Aufmerksamkeit, der eine populär-wissenschaftliche Darstellung des NI-Antriebs und der dahinterstehenden geometrodynamischen Physik zu geben versuchte.
    Es war wenige Stunden später, als ein harmonisch abgestimmtes Glockensignal aus den Lautsprechern des Schiffes klang.
    Matchett erhob sich unverzüglich und strebte dem Ausgang zu, aber er war nicht der einzige. Überall standen Männer und Frauen auf und eilten zu den Aufzügen. Das Signal bedeutete die Einberufung aller Abteilungschefs des wissenschaftlichen Kontingents zu einer Besprechung.
    Als der Aufzug anhielt, verließ ihn Matchett in einer Gruppe von etwa zwanzig anderen Personen. Wenige Minuten später betrat er die Kommandobrücke durch eines der großen Portale im Hauptschott und nahm seinen Platz in der vorderen Reihe ein. Aus allen Richtungen kamen Wissenschaftler, teils in der leichten, uniformähnlichen Bordkleidung, teils in ihren weißen Arbeitsmänteln. Grüppchenweise strebten sie, eifrig diskutierend, ihren Plätzen zu.
    Matchetts erster Blick galt den Bildschirmen. Die blau-weiße Sonne hing jetzt in riesenhafter Größe vor dem Bug der TELLUS, und er sah an den Instrumenten, daß das Expeditionsschiff nahezu zum Stillstand gekommen war. Der hagere, hochaufgerichtete Pilot im Thronsessel des »Olymps« schien der gleiche zu sein, wie damals bei der Generalversammlung der Expeditionsteilnehmer.
    Jetzt kam Direktor Rufus Carlson durch ein Portal geschritten. Er stieg die Stufen empor und wandte sich dem Auditorium zu.
    »Meine Damen und Herren«, begann er und wies auf die Sichtplatten, »wir sind an unserem ersten Ziel angelangt. Die Astronomie-Abteilung ist noch mit der Untersuchung dieser Sonne beschäftigt, aber Dr. Tilden, Dr. Stanford und ihr Stab haben bereits eindeutig festgestellt, daß sie Planeten besitzt, und daß wir es

Weitere Kostenlose Bücher