Der schlaue Pate
wollen.
»Also, meine Herren, diese Chance können wir uns nicht entgehen lassen.« Und dann grinste sie auch noch schelmisch und zwinkerte ihnen zu und fasste zusammen, was sie vorhatte und wofür sie sofort richterliche Genehmigungen beantragen wollte. »Das wird eine riesengroße Aktion, und die Zeit drängt außerordentlich. Solche Anträge haben mehr Gewicht, wenn die Unterschrift des Leitenden darunter steht.«
Sie überlegte einen Moment lang; dann fischte sie eine Akte aus dem Stapel und pauste gekonnt Baginskis Unterschrift ab und schenkte ihnen noch ein Grinsen.
»So machen wir das, wenn es eilig, der Leitende aber nicht da ist. Ich rufe ihn gleich an. Vielleicht kann er noch nicht wieder sprechen, aber zuhören und zustimmend brummen wird er schon können.«
Prinz und Andreas erhoben sich.
»Eine Kleinigkeit noch«, sagte Prinz. Die Hand schon am Hörer, blickte sie ihn abwartend an. »Die Firma, die bei Ihnen putzt, gehört auch Boris Tews.«
Zum zweiten Mal klappte ihre Kinnlade runter, diesmal vor Entsetzen.
8.
An dem Samstag, an dem in der Kleinstadt Melsungen eine Frau namens Ellen Kaiser mit ihren vier Kindern, zwei Männern, ihren zwei Brüdern mit deren Frauen und Kindern, aber ohne einen gewissen Ewald ihren achtundvierzigsten Geburtstag feierte, mussten einige hundert Polizisten und einige Staatsanwälte schon zum zweiten Mal Überstunden schieben. Das SEK des Polizeipräsidiums Nordhessen stand mit fast voller Mannschaftsstärke bereit, bei der Direktion der Bundesbereitschaftspolizei in Fuldatal wartete eine Hubschrauberstaffel mit Scharfschützen auf den Einsatzbefehl.
Ollie hatte stundenlang gebastelt und es schließlich geschafft, die Schutzvorrichtungen von Igors Smartphone zu umgehen. Noch so eine Überraschung wie Igors nächtliches Auftauchen in Tews’ Spedition wollte Prinz nicht erleben. Er war skeptisch, was die Kompetenz der Staatsgewalt betraf.
»Ich glaube«, sagte er und sah Andreas an, »wir sind da heute Nacht besser mit unserer Artillerie in der Nähe, falls sie es vermasseln. Kommst du mit?«
Andreas strahlte. Er strahlte seit gestern ständig. Aber er schüttelte den Kopf. »Ich bleibe lieber mit Ingrid hier in Sicherheit, und während wir eins deiner wundervollen Menüs kreieren, Ingrid, hören wir uns den Spaß an. Was hältst du davon?«
Auch Ingrid strahlte. »Toll. Es gibt Champignon-Cocktail auf Lollo rosso, Hirschragout in Blätterteigpastetchen mit Preiselbeer-Birne und als Nachtisch Walnuss-Eis mit Portwein-Feigen.«
Zu ihren übrigen guten Eigenschaften, wozu Anteilnahme, Liebenswürdigkeit, Humor und der manchmal verblüffende Scharfsinn der begeisterten Krimileserin gehörten, war sie auch noch eine herausragende Köchin, der Andreas, der manches daheim nachzukochen versuchte, mit Vergnügen assistierte.
Seit zwei Uhr nachmittags stand der Fiat mit Desirée und Niki am Rand der neuen abschüssigen Straße, die fast parallel zur Autobahn vom Sandershäuser Berg in Niestetal hinabführte. Oben auf dem Berg hatten bereits die Bauarbeiten für ein weiteres Gewerbegebiet an der A7 begonnen; Nordhessen boomte seit einigen Jahren. Unter sich hatten die beiden Tews’ Spedition im Blick, etwa zwei Kilometer entfernt, weshalb sie Nachtsichtferngläser dabeihatten. Nach vier wurde es an diesen kürzesten Tagen des Jahres langsam dunkel, und außerdem regnete es. Beobachter der Polizei waren nirgends zu entdecken, was Prinz erleichtert zur Kenntnis nahm.
Wie immer an Samstagnachmittagen trafen dauernd Lkws ein, da ab Mitternacht das Sonntagsfahrverbot in Kraft trat. Deshalb waren bereits die sechs Männer der Tagschicht des Wachdienstes da. Die hunderttausend CD s mit dem gefälschten Computerspiel steckten in sogenannten Wellpappcontainern, die eine ganze Palette einnahmen. Es waren zwei Laster, die mit insgesamt sechsundsechzig dieser Paletten beladen waren, was über siebzig Kubikmeter einnahm. Desirée und Niki wussten, dass sie ab etwa vier Uhr aus Marseille eintreffen sollten.
Aber am Wochenende vor Weihnachten waren die Staumeldungen im leise mitlaufenden Radio endlos. Gegen sieben brannten Desirée und Niki die Augen, gegen acht begann Desirée sich Sorgen zu machen. Prinz musste sie mit seiner beim Durchziehen eines seiner Coups üblichen Gelassenheit mehrmals beruhigen.
Um acht wurde die Tagschicht des Wachdienstes von der Nachtschicht abgelöst.
Nach und nach füllten sich die langen Reihen der Parkplätze auf dem ausgedehnten Gelände
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