Der schlaue Pate
gestern Ihr Haus und Ihr Büro durchsucht. Könnte dort etwas Inkriminierendes gefunden worden sein?«
Baginski schüttelte den Kopf. »Nur ein paar Briefe und Fotos von … ihr.« Er räusperte sich. Einen Moment befürchteten alle, er könnte anfangen zu weinen, doch er sprach völlig ruhig weiter. »Nichts davon widerspricht dem, was ich bisher gesagt habe.«
»Gut. Wir würden uns auch gern mal in Ihrem Haus umsehen.«
Baginski schien Einwände erheben zu wollen, doch Renate Simoneit sagte zu ihrem Mann: »Du kannst sie doch mal kurz da herumführen, oder?«
12.
Baginskis Haus lag am Rand des Vorderen Westens in einer der schmalen Straßen am Tannenwäldchen auf einem Hügelkamm mitten in der Stadt. Das Tannenwäldchen war ein kleiner Park, in dem zwei Sendemasten standen.
Die Häuser schmiegten sich den Hügel hoch. Die meisten waren hübsche Jugendstilbauten, aber Baginski wohnte oben auf dem Kamm in einem gelb gestrichenen Klotz, der nach sechziger Jahren aussah, wohl in eine Bombenlücke geklatscht. Der Boden war so felsig, dass die Häuser auf einer Art Plateau etwa anderthalb Meter über Straßenniveau errichtet worden waren. Das Grundstück war von einer fast mannshohen Steinmauer umgeben, über der ringsum Tannen wuchsen: Von außen konnte man nur durch das Stahlgittertor einen Blick auf eine Wand des Hauses und die angebaute Garage daneben werfen.
Simoneit war in einem rostfarbenen Jaguar vorausgefahren; nun schloss er das Tor auf und ging hastig voran, etwa zehn Stufen hoch, bis man sich auf Haushöhe befand. Neben der Treppe führte eine steile Rampe zu der Garage, nur für einen Wagen. Baginskis Frau hatte ihren Kleinwagen, der jetzt bei der Polizei war, wohl immer vor dem Haus geparkt. Ollie entdeckte sofort die zwei auf das Tor und die Haustür gerichteten Kameras. Aber vor allem faszinierte ihn, dass man vom ersten der beiden Sendemasten über die Tannen direkt auf das Tor, den mit Platten ausgelegten Weg zum Haus, die Haustür und die Garage blicken konnte.
Simoneit begann eindringlich auf Andreas einzureden, in dem er zielsicher das einzige willige Publikum erkannte. Ein mental starker, aber körperlich so sanfter Mensch wie Ewald könne niemals etwas Derartiges tun, erklärte er, während er die Haustür aufschloss. Etwas irritiert nahm er zur Kenntnis, dass Prinz, Ollie, Desirée und Björn Spohr sofort in verschiedene Räume ausschwärmten. Während seines Jurastudiums in Düsseldorf habe Ewald in Simoneits damals noch junger Firma als »Searcher« gejobbt, komme aus Sentimentalität immer noch zwei-, dreimal im Jahr vorbei und setze sich an die Computer. Ewald sei nämlich auch ein sentimentaler Hund, der unmöglich so eine alte Liebe umbringen würde.
Das ganze Haus wirkte wie der typische Bildungsbürgerhaushalt des besser gestellten Beamten: Regalwände voller Bücher, Ausstellungsplakate, ein Musikzimmer mit allerlei Instrumenten und hochgezogenen Notenblättern als Tapeten, in der gut sortierten Küche noch ein Regal voller Kochbücher, in eines der Regale im Wohnzimmer war ein kleiner alter Fernseher eher achtlos gequetscht; Fernsehen war etwas für die Unterschicht und hier nicht wichtig. Die Polizei hatte erstaunlicherweise kaum Chaos hinterlassen; im Schlafzimmer standen alle Türen des Kleiderschranks offen, aber es wirkte eher, als habe die Frau in aller Eile Koffer gepackt. Zwei Gästezimmer wirkten unberührt, im dritten hatte sich das Ehepaar Simoneit mit größter Zurückhaltung eingerichtet.
Ollie trat durch eine Glastür auf die hintere Terrasse und sah sich den Garten an, ebenfalls von außen nicht einsehbar, außer durch eine schmiedeeiserne Tür, durch die man den Garten von hinten betreten konnte. Prinz fand einen Zugang zur Garage, in der sich viel Gerümpel, aber kein Wagen fand: Die Frau hatte mit dem Sohn den Mercedes genommen. Etwas Interessantes konnte er nirgends entdecken.
Ollie interessierte sich besonders für Baginskis privates Reich ohne Fenster, das Simoneit ihnen schließlich im Keller zeigte: ein eher kleines Arbeitszimmer, überladen mit Regalen voller Gesetzestexte und alter Aktenordner, sehr schlichter Schreibtisch mit Laptop und einer grünen Schirmlampe wie aus amerikanischen Filmen, Papierwust in den Schubladen, bis auf ein Fach ganz unten. Gläser und Whiskyflaschen, Single Malt Scotch, fast ein Dutzend, in der ersten war nur noch eine Pfütze. Es gab auch einen schmalen Kleiderschrank und ein Bett, daneben Bücherstapel auf dem Boden,
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