Der schlaue Pate
irgendwem beobachtet zu werden. Na ja, dieser schlaue Pate weiß, dass Krieg bloß schlecht fürs Geschäft ist. Aber einfach auf sich sitzen lassen kann er das auch nicht. Also hätte er uns irgendwelche Signale schicken müssen.«
»Hat er aber nicht«, stellte Ingrid fest.
»Selbst wenn er beschlossen haben sollte, uns in Ruhe zu lassen«, sagte Prinz gedehnt, »Katharina hat ihren Mann verraten.«
»Ein schlimmerer Verrat ist bei denen kaum denkbar«, bestätigte Desirée.
»Deshalb wird sie jedes Mal hysterisch, wenn ich andeute, sie könnte doch in eine der Wohnungen im Gesindehaus ziehen.« Prinz schnitt eine Grimasse; er blickte noch immer nach oben. »Sie will dieses Haus nur verlassen, wenn ich dabei bin.«
»Darum geht es?«, fragte Ingrid, durch deren Hirn erkennbar bereits verschiedene Lösungsmöglichkeiten rasten. »Du willst sie bloß loswerden, das ist alles?«
»Nein.« Prinz senkte endlich die Augen und sah sie an. »Ich komme nicht dahinter, was der schlaue Pate bezweckt.«
»Was soll er schon bezwecken?« Ollie hob die Schultern. »Er übt seine Rache an jemandem, den er in der Tasche zu haben glaubte und der ihn verraten hat.«
»Nein«, sagte Desirée, die wieder blass geworden war. »Eigentlich sind wir schuld.«
»Aber nein.« Ingrid ergriff ihre Hand. »Wir haben doch von dieser Frau in Melsungen überhaupt nichts gewusst. Wir haben damit nichts zu tun.«
»Genau das kapiere ich nicht.« Prinz sah wieder nach oben. »Er lässt eine ganz unbeteiligte, unschuldige Frau umbringen, die zufällig Baginskis heimliche Geliebte ist. Und ihm schiebt er die Tat in die Schuhe. Uns tut er nichts. Das muss einen Grund haben. Und der hängt vielleicht zusammen mit diesem Professor mit dem komischen Namen.«
Prinz sah erst Desirée an, die sich nicht rührte, dann Ingrid, die heftig den Kopf schüttelte.
»Du hast gesagt, dass du nicht an dem Köder naschen willst!«, sagte sie heftig. »Das könnte uns erst wirklich in Gefahr bringen!«
»Nicht, wenn er nichts davon merkt. Er weiß ja nicht, dass wir überhaupt den Namen kennen. Ich rede nur von Hintergrundrecherche. Ich will einfach wissen, was das für ein Vogel ist.«
»Ich bin dagegen«, sagte Ingrid entschieden.
»Ich auch«, bestätigte Ollie.
Aber Desirée kapitulierte. »Na ja«, meinte sie langsam. »Ich kann Professor Dr. Magnus Egmont Krähfuß ja mal unter die Lupe nehmen.«
Am folgenden Samstag wurde Ellen Kaiser beigesetzt, was unüblich, aber von der einflussreichen Familie durchgesetzt worden war, da viele Trauergäste von weit her anreisen würden. Außerdem war die Leiche erst am Mittwoch freigegeben worden. Sie durfte auf staatsanwaltliche Anordnung nicht eingeäschert werden, um eine spätere Exhumierung zu ermöglichen.
Die Sonne schien nach dem Orkantief, das auch hier auf dem Melsunger Friedhof einige Bäume entwurzelt hatte, strahlend und voller Hohn. Der Trauerzug war endlos, bestimmt mehrere hundert Leute, viele wohl einfach neugierige Gaffer. In der HNA -Gesamtausgabe hatte eine ganzseitige Todesanzeige gestanden, mit Hunderten von Namen; Ewald Baginski, der möglicherweise am meisten trauerte, hatte die Familie nicht gestattet, seinen Namen dazuzusetzen. Dem Priester folgten zuerst Ellen Kaisers vier Kinder, ihre zwei Exmänner, ihre zwei Brüder samt Gattinnen und Kindern, die übrige Familie. Auch die Kaisers waren katholisch.
Andreas befand sich mit Desirée und Ingrid unter den Trauernden, die Ollie unauffällig filmte. Prinz befürchtete, zu bekannt zu sein, um hier gesehen werden zu wollen. Jörg, Dirk, Niki und Erich schlichen auf anderen Pfaden über den Friedhof, um festzustellen, ob noch jemand heimlich alles beobachtete, entdeckten aber niemanden.
Andreas zeigte auf einen sehr alten, würdevollen Herrn, der einen Rollator schob und von einem mittelalten Paar gestützt wurde, vermutlich eines seiner Kinder mit Ehepartner. Dahinter gingen deren Kinder, auch schon um die dreißig, mit Partnern.
»Das ist der alte Henner Schäfer«, sagte er zu Desirée, »der frühere Landeswirtschaftsminister. Der Großvater der Richterin, mit der wir es wahrscheinlich zu tun bekommen werden. Sie selbst ist nicht da, aber das sind ihre Eltern und Geschwister.«
Als der alte Herr mit Kondolieren dran war, wurde er von Ellen Kaisers Brüdern ebenso umarmt wie das Paar hinter ihm.
Polizisten waren nirgends zu entdecken. Weder im Trauerzug noch als unauffällige Beobachter noch mit Kameras, um die Gesichter der
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