Der schlaue Pate
Trauernden aufzunehmen.
Die Polizei hatte, wieder mal, ihren Täter und keinerlei Zweifel.
Kein Datum, kein Ort, keine Zeit
Seit dem letzten Film wusste Miriam Bosch, die in einem fast runden Raum mit etwa drei Meter hoher Decke und zu einer Seite abfallendem Boden mit Nassecke an der tiefsten Stelle gefangen gehaltene forensische Psychologin aus Lippstadt-Eickelborn, mit ziemlicher Sicherheit, dass sie sterben würde.
Den Versuch, mit Schreien und Hämmern auf sich aufmerksam zu machen oder sich mit dem Plastikgeschirr selbst zu befreien, hatte sie schon lange aufgegeben. Gegen die schwere Stahltür hatte sie keine Chance, und sie musste an einem Ort sein, wo niemand sie hören konnte.
Manchmal hatte sie den Eindruck, irgendwo etwas tropfen zu hören. Auch Luft musste irgendwie in diesen Raum kommen. Doch das half ihr alles nicht.
Zeit existierte für sie längst nicht mehr, aber das Essen schien mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu kommen. Die Platte ging auf, und sie fand ein aufgewärmtes Mikrowellen-Fertiggericht und einen Pappbecher vor, meistens mit Vitaminsaft, manchmal Beuteltee. Gerade genug, um sie am Leben zu halten. Sie schätzte, dass sie vielleicht schon zehn Kilo abgenommen hatte. Das schien ihm zu gefallen. Anfangs, hatte er gesagt, fand er sie ein bisschen zu drall. Drall.
Auch der Monitor schien mehr oder weniger regelmäßig anzugehen. Zuerst waren es nur Filme von ihr selbst: Wie sie dahockte und ins Leere glotzte. Wie sie heulte. Wie sie schrie und hämmerte. Wie sie schlief; wenn das Licht aus war, waren die Bilder grünlich. Wie sie auf die Toilette ging. Wie sie duschte. Er hatte ihr jede Intimität genommen. Manchmal dachte sie, dass sie längst nicht mehr sie selbst war.
Dann hatte er angefangen, sie zu Sachen aufzufordern.
Zeig mir deine Brüste. Dreh dich um, beug dich vor und zieh die Hose runter.
Lange hatte sie sich geweigert. Aber dann kamen das Essen und der Saft nicht.
Also trank sie aus dem Wasserhahn und hungerte und ignorierte seine schmeichelnden Aufforderungen. Bis es unerträglich wurde.
Schließlich tat sie, was er von ihr verlangte. Und erbrach sich vor Ekel, als er es ihr vorführte.
Genauso war das mit dem Brief gewesen, den sie an ihren Mann schreiben musste. Schließlich hatte sie eingewilligt. Er hatte ihr den Text diktiert.
Er belohnte sie mit noch mehr Schmeicheleien und üppigeren Mahlzeiten. Na, siehst du. Ist doch ganz leicht. Braves Mädchen. Schönes Mädchen. So schön.
Spreiz die Backen, ich will dein Arschloch sehen.
Schieb dir einen Finger hinten rein.
Sie wusste natürlich, dass er dazu masturbierte.
Sie warf ihm das an den Kopf, und er gab es zu, mit einer Stimme, die trotz des Verzerrers geradezu fröhlich klang.
Einmal ging die Klappe auf, sie fand aber kein Essen vor, sondern einen Dildo.
Und es wurde immer schlimmer.
Sie hatte lange nicht mehr geweint.
Aber dann kam ein Film mit einer anderen Frau.
Einer anderen Frau!
Die genau das Gleiche machte wie sie.
13.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag kletterten Ollie und Dirk über den Zaun der sogenannten »ortsfesten Funkanlage« im Tannenwäldchen, während Prinz und Jörg Schmiere standen. Es war immer noch zu warm für Anfang Januar, aber wenigstens regnete es nicht.
Es war recht mühsam gewesen, herauszufinden, was genau es mit diesen Türmen auf sich hatte und wer überhaupt Besitzer oder Betreiber der Anlage war. Desirée war an einem der letzten Tage mit Niki hier gewesen: Nirgends fand sich ein Schild mit irgendwelchen Angaben. Kein Anwohner oder Spaziergänger wusste irgendwas. Jemand sagte, da sei sicher die Telekom erste Anlaufstelle. Die Nummern der örtlichen Telekom-Niederlassung waren abgeschaltet, es gab nur noch 0800er-Nummern.
Desirée kämpfte sich durch den »Wenn Sie … drücken Sie die …«-Unsinn, nur um nach langen Minuten mit Leuten verbunden zu werden, die irgendwo auf dem Globus in Callcentern saßen und sich bei ihren konkreten Fragen als gänzlich inkompetent erwiesen. In der Niederlassung an der Friedrich-Ebert-Straße fand sich auch niemand, der Auskunft geben konnte. Entnervt rief Desirée den Pressesprecher der Stadt an.
Hans-Jürgen Schweinsberg setzte einen Mitarbeiter darauf an, in städtischen Unterlagen zu wühlen, und rief am nächsten Tag zurück: Von insgesamt drei »Antennenträgern« werde UKW -Hörfunk ausgestrahlt, die Funkanlage gehöre und werde betrieben von einer »Deutschen Funkturm GmbH«, einer Tochter der Deutschen
Weitere Kostenlose Bücher