Der schlaue Pate
dahingerafft von einem Schlaganfall. Aus seinem letzten Artikel, ein paar dürren, im Krankenhaus diktierten Zeilen, hab ich was Nettes gemacht, das er leider nicht mehr zu Gesicht bekommen hat. Hier hätte er jetzt mit einem Bier in einem Pulk von Leuten gestanden, die an seinen Lippen hingen.
Da war auch Prinz – und Desirée mit einem rundgesichtigen Typ mit flachsblonden Haaren. Ollie und seine Frau glitten in einiger Entfernung durch die Menge, und Ingrid hatte einen dürren, aber hübschen Typ dabei, der wie ein Araber und ansonsten aussah, als wäre er zwanzig Jahre jünger als sie. Mist. Auf diese tolle Frau, obwohl auch ein paar Jahre älter als ich, hatte ich selber ein Auge geworfen. Zumindest mein Buch fand sie schon mal klasse.
Keiner von ihnen lächelte oder machte mit irgendwem Small Talk, wie alle anderen. Sie scannten konzentriert die Promis und das Umfeld. Ich schnappte mir einen Rotwein und wollte mit breitem Lächeln auf Prinz zusteuern, der jedoch kaum merklich den Kopf schüttelte und sich abwandte.
Aha? Sie waren hinter jemandem her. Offenbar einem der Prominenten. Wer konnte das sein?
Mario sowie zwei andere von Klaus’ alten Freunden, Harry Soremski vom EXTRA TIP und Dieter Schachtschneider für die HNA sowie drei Fotografen, die ich nicht kannte, ließen ihre Digitalkameras wie Maschinengewehre klacken. Eichel redete jetzt mit der künstlerischen Leiterin und dem Geschäftsführer der diesjährigen d OCUMENTA , die im Juni begann. Der OB der Stadt Kassel war umgeben vom Landrat des Landkreises Kassel, dem Uni-Präsidenten und einem Mann, den ich nicht kannte. Die Wissenschaftsministerin des Landes lächelte mit ihrem Mann, wie Andreas ein bekannter Strafverteidiger, und dem CDU -Fraktionschef in der Stadtverordnetenversammlung in die Kameras. Ebenso der Vorstandssprecher und einer der Gründer dieses Wechselrichter-Weltmarktführers samt Gattinnen. Der Vorstandschef der Gesundheit Nordhessen, der Regierungspräsident, die Leiterin des Gesundheitsamtes und der Chefarzt und Leberexperte Professor Krähfuß debattierten angeregt, während Krähfuß’ Frau gelangweilt dabeistand. Andreas’ Vater Herbert Viehmann, der frühere Landesjustiz- und -innenminister, unterhielt sich mit Brigitte Zypries, einer ehemaligen Bundesjustizministerin, wollte seinen Sohn herbeiwinken, handelte sich aber auch ein knappes Kopfschütteln ein.
Nicht auszumachen, an wem sie interessiert waren. Ging es um den Fall Baginski? Letztes Jahr waren Baginski und Boris Tews noch auf dem Neujahrsempfang gewesen, Ersterer mit seiner Frau, Letzterer mit einem ganzen Schwarm schöner Blondinen. Hatte der EXTRA TIP nicht ein Foto von Tews und Baginski gebracht? Nein, das musste ein anderer Anlass gewesen sein, es war Baginski und … Krähfuß, genau. Und es schien tatsächlich Krähfuß zu sein, den sie alle nicht aus den Augen ließen.
Prinz winkte die anderen unauffällig zurück, er und Ollie schienen regelrecht in Deckung zu gehen. Er schien einen Typ im Auge zu haben, der möglicherweise ebenfalls Krähfuß beobachtete. Ein ziemlich großer, kräftiger Kerl mit fast weißen Haaren, obwohl er noch keine vierzig sein konnte, und sehr heller Haut, der einen eleganten schwarzen Anzug trug, was den Kontrast betonte, und gelangweilt an einem Weißwein nippte. Aber sein Blick folgte Krähfuß, als der ein paar Schritte machte, um jemanden zu begrüßen. Desirée machte ein Foto von Ingrid und dem Araber; der Weißhaarige stand seitlich hinter ihnen und war bestimmt auch mit drauf. Prinz und Ollie befürchteten offenbar, er könnte sie erkennen.
Vielleicht ergab sich später noch die Gelegenheit, mal zu fragen, was hier los war. Ich wollte raus, um eine Zigarette zu rauchen. Eine der Bars hatte sich inzwischen geleert, da saß nur der HNA -Chefredakteur Horst Seidenfaden und unterhielt sich mit der hübschen Stadtverordneten Esther Kalveram, die der OB letztes Frühjahr als Vertretung zu meiner Buchpremiere geschickt hatte. Ich fragte ihn, ob ich seinen Kommentar über organisierte Kriminalität in Kassel für ein eventuelles Buch verwenden könne. Er schrieb selber Krimis, die ich positiv besprochen hatte, und hatte keine Einwände. Dann flirtete ich noch ein bisschen mit Esther Kalveram und trug meinen Wein nach draußen, wo Trauben von Rauchern standen. Inzwischen war es dunkel geworden, aber noch ziemlich warm.
Kurz nach mir kamen der Regierungspräsident und Professor
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